Wie ich vom Bann der “Kreditschöpfungstheorie” loskam
23. April 2010 von Friedrich Müller-Reißmann
Friedrich Müller-Reißmann März 2010
Wie ich vom Bann der „Kreditschöpfungstheorie” loskam
Teil I) Ein unauflösbares Dilemma
Als ich mich mit unserem Geldsystem zu beschäftigen begann, bin ich leider auch auf die „Kreditschöpfungstheorie” gestoßen, der ich gleich zu Beginn skeptisch gegenüberstand. Ich fand mich jedoch sehr bald belehrt, dass ich mit dieser Voreingenommenheit „ein Gefangener im Gedankenlabyrinth eines überholten Paradigmas (sei, der) das Wesen des heutigen Kreditgeldsystems verkennt. Die Vergabe von Krediten setzt in unserem heutigen Geldsystem nun einmal nicht voraus, dass der Bank zuvor von dritter Seite Geld zur Verfügung gestellt worden ist”[1], und zu den Leuten gehöre, die immer noch die alten Märchen glauben, die sie aus „frühesten Kindheitstagen zu glauben gewohnt sind” und einfach nicht über das, „was so schön einfach ist und logisch klingt”, hinausgekommen sind und so dem „ökonomischen Mainstream” verhaftet bleiben[2].
Als ich dann noch erfuhr, dass in dieser Theorie eine „gewaltige emanzipatorische Kraft” (TB S.8[3]) steckt, bekam meine Skepsis Blessuren. So richtig „kognitiv ungemütlich” wurde es, wenn mir das „neue Paradigma” bei einem Autor begegnete, den ich ansonsten schätze (in anderen Zusammenhängen früher sogar mit ihm persönlich zu tun hatte) und der zudem von Motiven und politischen Grundüberzeugungen geleitet wird, die ich teile. Und wenn dann auch noch Autoritäten der Ökonomiegeschichte wie Keynes oder Schumpeter oder renommierte Ökonomen der Gegenwart wie Hajo Riese als Kronzeugen angeführt werden …
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[1] Christopher Mensching: Umlaufsicherung und Geldsystem – Zur Notwendigkeit einer doppelten Geldreform, in: ZfSÖ Dez. 2005, S.38
[2] Vgl. Thomas Betz: Geld: Das letzte Rätsel der Freiwirtschaftslehre? In: ZfSÖ Dez. 2005, S.4.
[3] Thomas Betz, a.a.O. S.8. Auf diesen Artikel von Thomas Betz wird im Folgenden nur noch mit „TB S….” im laufenden Text hingewiesen.
[4] Die Sprache ist allerdings weniger spiegelbildlich, vielmehr sehr asymmetrisch. Helmut Creutz, der führende Kopf unter den gegenwärtigen Geldreformern und entschiedener Kritiker der „Kreditschöpfungstheorie”, zeichnet sich durch ein bewundernswertes Maß an Fairness, Geduld und Sachlichkeit aus, während mir auf der anderen Seite zum Teil unerträgliche Polemik gegen die „paar alten Männer und ihre gläubigen Jünger” begegnet ist. Zudem ist mir eine weitere Asymmetrie aufgefallen: Während die Kritiker viele Fragen stellen nach dem Muster: „Wenn die Kreditschöpfungstheorie zutrifft, wie ist dann dieses oder jenes Phänomen zu erklären?”, kenne ich kein einziges Beispiel, wo vonseiten der Vertreter diese Frage (mit vergleichbarer Berechtigung) gegenüber den Kritikern gestellt werden konnte.
[5] Christopher Mensching, a.a.O. S.33
[6] Genau diese Voraussetzung nennt der frühe Keynes in jener berühmten Stelle (vgl. Keynes: Vom Gelde, Duncker & Humblot, München 1932, S.20ff.), auf die sich die „Kreditschöpfungstheoretiker” gern berufen und in der behauptet wird, dass Banken unbegrenzt selber Depositen ‚schaffen’ können: „vorausgesetzt, daß sie sich im Gleichschritt vorwärts bewegen”.
[7] Vgl. Müller-Reißmann: Die organisierte Spekulation; drs.: Über das Platzen von Vermögensblasen, Kapitalvernichtung und Geldverbrennung in: www.mueller-reissmann.de
[8] Die Besicherung der aus dem Nichts geschaffenen Kredite hält Betz offensichtlich für unabdingbar.
[9] Vgl. Helmut Creutz: Wer hortet denn heute noch Geld? In: Humane Wirtschaft, 06/2009, S.6-9. Die sog. „umlaufende Geldmenge” beträgt heute etwa 195 Mrd. €, liegt also in der Größenordung eines Zehntels der BIP.
[10] Vgl. Helmut Creutz: “MONETATIVE Geldschöpfung in öffentlicher Hand”, in: Humane Wirtschaft 01/2010, S.21
[12] Diese Vorstellung von einem direkten (1:1) Zusammenhang von Geld und Wertschöpfung scheint auch hinter der Geldtheorie von Heinsohn und Steiger zu stehen (vgl. Anm. 14), wenn sie für das in Umlauf gebrachte Geld die Schwierigkeit sehen, dass durch „das zum Wirtschaften erst führende Geld” „neben der Tilgung ja der Zins zusätzlich erwirtschaftet werden (muss)”. Ihre Lösung des Problems: „Für dieses Mehr wird der technische Fortschritt ersonnen” (G. Heinsohn und O. Steiger: Am Anfang war das Eigentum, DIE ZEIT Nr.45, 10.10.2003). Es irritiert mich, bei Autoren, deren Buch über die „weisen Frauen” mir seinerzeit großes intellektuelles Vergnügen bereitet hat, auf einen solchen intellektuellen Kurzschluss zu stoßen.
[13]Vgl. Thomas Betz: Geld: Das letzte Rätsel der Freiwirtschaftslehre? In: ZfSÖ Dez. 2005, S.4
[14] Dieser kann als Vorläufer des „eigentumstheoretischen” Ansatzes der Geldtheorie gesehen werden (vgl. Gunnar Heinsohn/Otto Steiger: Eigentum, Zins und Geld (2002), Metropolis 20095). Dieser Ansatz betont die Rolle des Eigentums bei der historischen Entstehung des Geldes. Die Emission von Geld setzt unabdingbar Vertrauen voraus und dieses Vertrauen entstand ursprünglich durch Absicherung durch Eigentum, was eine zuverlässige Eigentumsordnung impliziert. Dies scheint mir ausgesprochen plausibel, weniger einleuchtend finde ich jedoch die daraus abgeleitete allgemeine Geldtheorie, die dann auf heutige Verhältnisse, etwa auf die Geldschöpfung durch die moderne Zentralbank angewandt wird. Heute basiert das Vertrauen ins Geld nicht mehr auf der Hinterlegung von Wertpapieren bei der ZB, sondern auf der durch richtige Geldmengenregelung erzeugten Geldwertstabilität. Eine umfangreiche kritische Analyse dazu liefert Gero Jenner: Wohlstand und Armut. Eine allgemeine Theorie über Eigentum, Geld, Güter und Staat (bislang unveröffentlichtes Manuskript).
[15] Z.B. der florentinische Kaufmann, der Quittungen auf das bei einem Goldschmied hinterlegte Gold als Geld benutzt, die Privatbank, die auf der Basis ihres Eigentums ein eigenes Geld auflegt, der münzprägende Fürst.
[16] Damit soll nun keinesfalls behauptet werden, dass in den früheren Zeiten die Geldemissionen stets im Rahmen der für die Wirtschaftskraft angemessenen Geldmenge blieb. Wenn z.B. der münzprägende Fürst einen zu extensiven Gebrauch von seinem Privileg machte, kam es zur „Teuerung im Lande”. In der Tat ist die Geschichte des Geldes immer auch eine Geschichte der Inflation gewesen.
[17] Joseph Stiglitz: Die Schatten der Globalisierung, Siedler, Berlin 2002, S.119.
[18] Christoph Mensching, a.a.O. S.36
[19] Ebd. S.37 und S.38
[20] Ebd. S.38