Das Geld und die Frage der gerechten Verteilung
12. Mai 2009 von Friedrich Müller-Reißmann
Über einen weithin unbekannten Verteilungsmechanismus
(April 2009)
Der „unterirdische Geldstrom” von Arm nach Reich
In den „gesellschaftswissenschaftlichen” marxistischen Seminaren, die seinerzeit in Leipzig auch für einen Physikstudenten obligatorisch waren, wurde mir klargemacht, dass der ungerecht verteilte Zugang zu den Gütern eine Frage der sog. Produktionsverhältnisse ist und in der Produktionssphäre entsteht – und zwar dadurch, dass die einen die Produktionsmittel besitzen und die anderen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen zu Preisen, die die Produktionsmittelbesitzer mit allen Mitteln drücken. Das Schlüsselwort hieß „Ausbeutung”. Auch ohne expliziten Bezug zum marxistischen Denksystem kommt die öffentliche Diskussion, wenn sie denn überhaupt die Frage der gerechten Verteilung anschneidet, zumeist über den Rahmen dieser Perspektive nicht hinaus, z.B. wenn ein Mindestlohn gefordert oder die horrenden Bezüge der Bankmanager kritisiert werden. Alles dreht sich darum, dass die einen zu viel und die andern zu wenig „verdienen”. Alle Verteilungskämpfe beziehen sich praktisch immer nur auf Löhne und Gehälter, Honorare, Profite, Bonis und dergleichen.
Jahrzehnte später wurde ich mit einer ganz anderen Denktradition konfrontiert, die im Gefolge von Silvio Gesell ihr Interesse auf die sog. Distributionssphäre richtet und dort (noch) eine ganz andere Quelle der Ungleichheit entdeckt.
Sie rückt die Organisation des Geldwesens ins Zentrum der Kritik und fordert ungeachtet der Frage nach „gerechten” Produktionsverhältnissen ein anderes, ein „gerechtes” Geldsystem. Im Focus dieser Perspektive steht nicht so sehr das erste Gerechtigkeitsproblem, die krassen Unterschiede bei den Leistungseinkommen (über deren Berechtigung man endlos streiten kann), sondern der Sachverhalt der „Einkommen auf Vermögen”, für die es absolut keine Berechtigung (und insofern auch nichts zu streiten) gibt. Bislang wird über diese Verteilungsungerechtigkeit in der öffentlichen Diskussion nicht deshalb nicht gestritten, weil sie unbestreitbar ist, sondern weil sie bislang kaum zur Kenntnis genommen wird. In der Tat muss man sich fragen, wie es überhaupt möglich ist, dass der Sachverhalt des automatischen Vermögenstransfers von Arm nach Reich, der allein durch unser Geldsystem als solches ausgelöst wird, nicht ins öffentliche Bewusstsein dringt, wenn er so massiv und unbestreitbar ist, wie von einer Minderheit von Geldtheoretikern behauptet wird. [1]
Wenn ein „Armer” Geld von einem „Reichen” leiht und dafür Zinsen bezahlt, wird er insgesamt mehr Geld an den „Reichen” zahlen, als er von diesem bekommen hat. In diesem Sinne ist die Aussage unbestreitbar, dass in einem Zinssystem Geld „von denjenigen, die weniger Geld haben, als sie brauchen und sich Geld leihen müssen” zu denen fließt, „die mehr davon haben, als sie benötigen”[2]. Dass jedoch auch die fremden Schulden, also die Schulden die insgesamt im Wirtschaftssystem von allen möglichen anderen gemacht werden, einen „unterirdischen Geldstrom” bedingen, der von der großen Mehrheit hin zu einer kleinen Minderheit der besonders Vermögenden fließt[3], das leuchtet keineswegs unmittelbar ein. Und in der Tat ist das auch keineswegs die theoretisch zwangsläufige Folge einer Zinswirtschaft. Allerdings die praktisch unvermeidliche Folge. Und genau diesen Punkt muss man verstanden haben, wenn man das Kernproblem einer Zinswirtschaft: die Entstehung eines wachsenden Ungleichgewichts erfassen will.
Hypothetischer Fall: Einkommens- und Vermögensaufteilung identisch
Dass alle im gesamten System einer Volkswirtschaft gezahlten Zinsen für Kredite, die letztlich aus den Ersparnissen aller Haushalte kommen, letzten Endes auch von der Gesamtheit aller Haushalte getragen werden müssen, steht außer Frage. Kredite, die im Zuge der Güterproduktion aufgenommen werden (für Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Vertrieb, Werbung usw.), müssen sich in den Produktpreisen niederschlagen. Kredite, die für den Wohnungsbau aufgenommen werden, verteuern die Mieten. Und Zinsen, die der Staat für seine Schulden bezahlen muss, wird er sich über die Steuern zurückholen. Aber bedeutet dieser Sachverhalt einen automatischen Transfer von Arm nach Reich?
Wir betrachten zunächst eine (hypothetische) Gesellschaft, in der das Verteilungsmuster der (Leistungs-)Einkommen identisch mit dem Verteilungsmuster der (zinsbringend angelegten) Vermögen ist. In diesem Fall würde trotz Zinssystem und Verschuldungen keine Vermögensumverteilung stattfinden. Es ist dabei theoretisch völlig irrelevant, wie ungleich die Verteilung ausgeprägt ist. Die Vermögenseinkommen aufgrund der Zinsen würden genau nach dem Muster der Einkommen zugeteilt und wieder eingezogen.
Man kann sich das mathematisch leicht an einem simplen Beispiel klarmachen. Wir gehen dazu sogar von einer extremen Ungleichverteilung aus: 10% der Haushalte (Gruppe B) verfügen über 90% der Einkommen wie der Vermögen. Die restlichen 90% der Haushalte (Gruppe A) verfügen über 10% der Einkommen und Vermögen. Die Zinsen, die im System gezahlt werden müssen, verteuern wie gesagt die Produkte, Dienstleistungen, Mieten, Steuern, Gebühren usw., sie müssen also letztlich von den Haushalten getragen werden. Da einerseits die reiche Gruppe B von den Zinsen, die im System eingestrichen werden, aufgrund ihres Vermögens 90% kassieren, andererseits sie aber aufgrund ihres genau entsprechend größeren Einkommens 90% der Produkte, Dienstleistungen usw. kaufen bzw. bezahlen, tragen sie indirekt genau die Zinsen, die sie direkt kassieren. Entsprechend kassiert und zahlt Gruppe A nur 10% der Zinssumme.
Beispielrechnung mit 6% Zinssatz:
A B
Einkommen (=Ausgaben): 100 900
Vermögen: 300 2700
Die Ausgaben von 1000 müssen eine Zinslast von 180 (6% von 3000) tragen. Die Belastungsquote beträgt also 18%:
Indirekte Zinsbelastung (über die Ausgaben) -18 -162
Direkte Zinserträge (aufgrund des Vermögens) 18 162
Zinssaldo 0 0
Nehmen wir nun an, beide Gruppen sparen 10%:
Ausgaben: 90 810
Vermögen: 310 2790
Der Zinssatz sei weiterhin 6%. Die Haushalte müssen also in den Ausgaben von nunmehr nur 900 zusammen 186 (6% von 3100) aufbringen (Belastungsquote: 20,7%):
Zinsbelastung -18,6 -167,7
Zinserträge +18,6 +167,4
Zinssaldo 0 0
An der Einkommens- und Vermögensverteilung hat sich nichts verändert: sie bleibt 1 : 9. Das bleibt auch so über die Jahre, unabhängig von der Höhe der Sparrate.
Allgemein formuliert: Jede Gruppe, wie reich oder arm sie auch sei, würde unter der Annahme gleicher Spreizung von Einkommen und Vermögen über ihren Verbrauch genau den Anteil der Zinslast tragen, den sie über die Verzinsung ihres Vermögens („Vermögenseinkommen”) einnimmt. Es findet kein Transfer von den Ärmeren zu den Reicheren statt – selbst im Fall einer extremen Spreizung.
Das bedeutet auch: Unter der Annahme gleicher Verteilungsmuster bei Einkommen und Vermögen wären die „Vermögenseinkommen”, d.h. die Zinseinnahmen, nicht das geringste soziale Problem – wie groß auch immer die Vermögenseinkommen der Reichen sind. Das soziale Problem der ungleichen bzw. ungerechten Verteilung wäre allein (im Sinne der marxistischen Denktradition) ein Problem der ungleichen bzw. ungerechten „Entlohnung” bei der Produktion der Güter. Von daher ist es verständlich, dass in einer „Anfangsphase” einer volkswirtschaftlichen Entwicklung, wie wir sie nach dem 2.Weltkrieg hatten, als es noch keine großen Vermögen gab bzw. die Vermögensspreizung in erster Näherung der Einkommensspreizung entsprach, kein großes Problem in den Vermögenseinkommen gesehen wurden. Ob das Verteilungsmuster selber gerecht ist, d.h. ob die Einkommen den tatsächlichen Leistungen entsprechen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die im Beispiel gewählte Aufteilung ist sicher von absurder Ungerechtigkeit, sie wurde gewählt, um zu zeigen, dass selbst in einem solchen Fall durch die Zinsen im System theoretisch keine Verschärfung eintritt.
Von der theoretischen Möglichkeit zur Realität
In dieser Betrachtung wurde vorausgesetzt, dass die Haushaltsgruppen nicht ihr ganzes Einkommen verbrauchen, sondern einen gewissen Anteil sparen (woher hätten sonst die Vermögen kommen sollen?). Der Punkt ist jedoch: Jede Haushaltsgruppe, ob arm oder reich, spart die gleiche Rate ihres Einkommens, z.B. 10%. Und: Jede Haushaltgruppe, ob arm oder reich, bekommt für ihre Ersparnisse den gleichen Zinssatz. Nur unter diesen Bedingungen bleibt über die Zeit die Vermögensverteilung identisch mit der Einkommensverteilung. Nur unter diesen Bedingungen gelten die oben gemachten theoretischen Aussagen. Doch beide Bedingungen – und das ist der Punkt – sind in der Praxis nicht gegeben.
Die Reichen können (erstens) einen höheren Anteil sparen und tun das normalerweise auch, und sie bekommen (zweitens) nach der Logik unseres Banksystems einen höheren Zinssatz (weil sie größere Summen anlegen können). Damit wächst ihr Vermögen nicht nur schneller als das Vermögen der Ärmeren, sondern sie können aufgrund des ebenfalls wachsenden Vermögenseinkommens einen immer größeren Anteil des Einkommens sparen (ohne jegliche materielle Einbuße bei ihrer Lebensführung). Damit ist der Exponentialmechanismus des Zinseszins in Gang gesetzt und die Lasten des Zinssystems verschieben sich immer mehr zugunsten der Reichen und zulasten der (vermögens)ärmeren Schichten. Zur Illustration betrachten wir obiges Zahlenbeispiel:
Gruppe A spare weiterhin 10% und Gruppe B aber 20%, A erhalte 5% und B 6% Zins. Der Einfachheit halber wird von der Anfangverteilung ausgegangen. Die gesamte Zinslast beträgt also jetzt: 5% von 300 + 6% von 2700 = 177. Diese muss von den Ausgaben von 90 + 720 = 810 aufgebracht werden (Belastungsquote 21,85%):
Indirekte Zinsbelastung -19,7 -157,3
Direkte Zinserträge 15 162
Zinssaldo – 4,7 + 4,7
Die Situation hat sich zugunsten der reicheren Gruppe verschoben. Sie gewinnt genau den gleichen Betrag, den die ärmere Gruppe verliert. Der „unterirdische Geldstrom” hat zu fließen begonnen. In der Regel wird dieser Zustrom nicht einfach in mehr Konsum umgesetzt, sondern bildet die Basis für die Vermögenszunahme der reichen Gruppe. Im Laufe der Zeit wird deren Vermögen absolut und vor allem relativ immer größer und mit ihm der Zustrom weiteren leistungslosen Einkommens.
Dieser „zweite Effekt” der Verteilungsungerechtigkeit überlagert den „ersten Effekt” (die mehr oder weniger ungerechte Verteilung der Leistungseinkommen), und selbst wenn die auf der Ebene der Produktion entstandene Ungleichheit völlig gerecht wäre, weil sich Einkommen und Leistung ideal entsprechen, also keiner auf Kosten anderer lebt, der zweite Effekt – der Geldtransfer durch das Zinssystem von Arm nach Reich – bedeutet völlig unbestreitbar, dass die Reichen auf Kosten der Armen leben. Das eigentliche Problem dabei: dieser zweite Effekt ist selbstverstärkend. Die ungerechte Verteilung in der Produktionssphäre muss nicht notwendigerweise wachsen. Zwar gibt es da auch positive Rückkopplungen (mit den Einkommen wächst die Macht, sich immer höhere Einkommen zu verschaffen), aber es gibt, wenn die Gewerkschaften stark sind und die Warenkonkurrenz funktioniert, auch Gegenkräfte. Beim zweiten Effekt ist die dynamische Selbstverstärkung praktisch vorprogrammiert, und es gibt, solange das Problem außerhalb der öffentlichen Diskussion bleibt, auch keine Gegenkräfte.
Was sind eigentlich „Einkommen auf Vermögen”?
Wie das einfache Beispiel zeigt, wird der eigentliche Problemsachverhalt, der mit dem Zinssystem verbunden ist, verkürzt und missverstehbar dargestellt, wenn man Zinszahlungen auf angelegte Vermögen als solche als unmoralische und systemgefährdende „Einkommen auf Vermögen” bezeichnet. Solange nämlich diese „Einkommen auf Vermögen” in den Ausgaben der Einkommensbezieher gleich wieder „zurückgegeben” werden, versetzen diese Einkommen diesen in keiner Weise in die Lage, dadurch mehr zu konsumieren. Das bedeutet: diese „Einkommen auf Vermögen” müssen auch nicht von der Volkswirtschaft zusätzlich erbracht werden. Und es muss niemand wegen ihnen um den Lohn seiner Leistungen betrogen werden.
Die moralische und funktionale Kritik am „Einkommen auf Vermögen” trifft jedoch mit voller Berechtigung zu, wenn man den Überhang, den positiven Saldo in der Bilanz aus (direkten) Zinseinnahmen und (indirekten) Zinszahlungen über die Ausgaben meint. Diese sind „Einkommen auf Vermögen” im eigentlichen Sinne, und sie ermöglichen einen zusätzlichen – nicht auf eigenen, sondern auf fremden Leistungen beruhenden – Konsum, und sie können nur aufgebracht werden, wenn die Wirtschaft wächst oder wenn andere für ihn ihren Konsum einschränken (und zwar nicht nur relativ, sondern absolut). Hier beginnt das moralische Ärgernis und hier liegt die Ursache für die Entstehung eines wachsenden systemgefährdenden Ungleichgewichts. Relevant ist nicht, was die Reichen an Zinsen für ihr Vermögen einnehmen, auch nicht, was ihnen davon bleibt, wenn die Steuern dafür abgeführt sind, sondern relevant ist allein, was ihnen als Überhang bleibt, wenn sie mit ihren gewohnten Haushaltsausgaben den darin enthaltenen Zinsanteil „zurückgegeben” haben. Dieser Überhang erlaubt Konsum ohne entsprechende eigene Leistung (die harmlosere Variante) oder kann und wird in der Regel für Vermögensvermehrung und damit weiter wachsende Einkommen genutzt, womit der exponentielle Teufelskreis geschlossen ist (die gefährlichere Variante).
Wenn z.B. ein Haushalt genau so viel (angelegtes) Vermögen hat, dass er genau die Summe direkt an Zinsen einnimmt, die er indirekt durch seine Ausgaben bezahlt, dann ist er natürlich in einer besseren Situation als ein Haushalt, der nicht über solche Zinseinnahmen verfügt, und er kann mehr als dieser konsumieren, aber er kann nicht mehr konsumieren, als er in einem System ohne Zinsen konsumieren könnte. Gemessen daran bedingt die Zinseinnahme, die nicht die Zinsbelastung in den Ausgaben übersteigt, keine Notwendigkeit, mehr Güter zu produzieren.
Am Zahlenbeispiel:
Der reiche Haushalt habe im Jahr Einkommen von 80.000. Wir setzen sie für diese Überlegung der Einfachheit halber mit den Ausgaben gleich (Sparquote = 0). Hieraus ergibt sich eine Zinsbelastung (bei Belastungsquote von z.B. 30%) von 24.000. Gleichzeitig kassiere der Haushalt aufgrund seines hohen Vermögens eine Zinssumme von ebenfalls 24.000. Er verfügt also über ein Leistungseinkommen von 56.000. In einem System ohne Zinsen würde der Haushalt die 24.000 Zinsen nicht einnehmen, könnte also nicht sein Ausgabenbudget dadurch erhöhen, müsste aber andererseits auch nicht 24.000 indirekt abführen. Mit anderen Worten: Im jetzigen System verfügt er exakt über die gleiche Kaufkraft, die er in einer zinslosen Wirtschaft hätte.
Ein Haushalt, der nur von den 24.000 € Zinseinahmen lebt, zahlt davon 7.200 € indirekt an Zinsen, sein positiver Saldo: 16.800 €. Er konsumiert in der Zinswirtschaft also Waren, die in einer zinslosen Wirtschaft 16.800 € kosten würden. Genau diese könnte er dann aber nicht mehr konsumieren: sein Einkommen wäre Null. Oder anders ausgedrückt: Sein eigentliches „Einkommen auf Vermögen”, das zusätzlich erwirtschaftet werden oder von den Zinsverlierern bezahlt werden muss, beträgt nicht 24.000 €, sondern 24.000-7.200=16.800 €, also die Differenz zwischen den Zinsen, die er direkt kassiert und den Zinsen, die er indirekt „zurückgibt”.
Nimmt ein Haushalt aufgrund seines Vermögens mehr Zinsen direkt ein, als er indirekt über seine Ausgaben bezahlt, hat er eine höhere Kaufkraft, als er in einem System ohne Zinsen hätte. Er ist Gewinner des Zinssystems. Die Haushalte, die mehr über ihre Ausgaben indirekt von der Zinslast im System übernehmen, als sie selber direkt an Zinsen einnehmen, sind die Verlierer. Ihre Kaufkraft ist geringer.
Zinssystem und Wachstumszwang
Aus dem Gesagten folgt nun aber, dass nicht die im System gezahlten Zinsen als solche die Ursache für den Wachstumszwang einer Zinswirtschaft sind. Die Zinszahlungen erfordern keine zusätzliche Wirtschaftsleistung. Sofern sie von allen gleichmäßig über die Haushaltsausgaben zurückgebracht werden (d.h. im selben Maße, wie sie ausgezahlt werden), ergibt sich keine Notwendigkeit, die Kaufkraft insgesamt im System zu erhöhen.
Zwischenfrage: Wenn nun aber die Vermögen aller ständig wachsen, einfach weil Jahr für Jahr gespart wird (von allen mit der gleichen Rate), dann werden doch die Zinsen, die auf die Vermögen zu zahlen sind und die in den Produkten zwecks „Rückholung” untergebracht werden müssen, bald das ganze Produkt „ausfüllen”, womit das „Zinsumlageverfahren” rein rechnerisch an seine Grenzen stoßen würde. Würde das dann nicht doch einen Wachstumszwang auslösen? Nein, denn in einer funktionierenden Marktwirtschaft würde mit den wachsenden Vermögen ja eine solche Menge an Kapital zur Verfügung stehen, dass die Zinsen immer weiter sinken müssten. Gleichmäßig wachsende Vermögen aller – das ist eigentlich kein Grund dafür, dass die Wirtschaft unbedingt wachsen bzw. die Politik verzweifelte Wachstumsanstrengen unternehmen muss. (Allerdings würden auch in einer „zinsfreien” Wirtschaft ein Problem entstehen, wenn die Geldvermögen aller aufgrund von Sparen wachsen und wachsen. Irgendwann wäre der Bedarf an Ersparnissen für Ersatzinvestitionen bzw. ökologisch und sozial sinnvolle Verbesserungsinvestitionen erschöpft. Andererseits müsste die Wirtschaft in der Lage bleiben, die durch die Geldvermögen gewissermaßen verbrieften Ansprüche auf Leistungen erfüllen zu können. Ständig wachsende Geldvermögen sind – ganz unabhängig von der Zinsproblematik – auf die Dauer nicht mit der Vorstellung einer nachhaltigen, wachstumsunabhängigen Wirtschaftsentwicklung vereinbar. Allerdings sollte es möglich sein, in einer Wirtschaft, in der Sparen keinen Einkommenseffekt mehr hat und aufgrund einer verstetigten, nachhaltigen Entwicklung auch das Sicherheitsmotiv für das Sparen an Gewicht verliert, ein neues Gleichgewicht zwischen Sparen und erforderlichen Investitionen zu finden. Doch das ist ein Thema für sich).
Der Wachstumszwang entsteht indirekt durch das Zinssystem, indem es zu einem zunehmenden Ungleichgewicht in der Einkommens- und Vermögensverteilung führt, was (erstens) immer stärker gegen den Wert Gerechtigkeit verstößt, (zweitens) die sozialen Spannungen verschärft und (drittens) die Leistungsmotivation und damit die Quellen der Effizienz der Gesellschaft untergräbt. Der Wachstumszwang ist eine (auf die Dauer völlig ungeeignete) Systemantwort auf ein soziales und funktionales Ungleichgewicht. Es ist der Versuch, den permanenten Vermögenstransfer von Arm nach Reich dadurch erträglicher zu machen, dass auch die Verlierer des Transfers absolut gesehen mehr bekommen. Oder anders ausgedrückt: Ohne Wachstums geht der Zuwachs bei den Vermögenden voll zulasten der großen Mehrheit, die Konsumeinschränkungen auf sich nehmen oder ihr geringes Vermögen aufzehren müssen (wodurch sich das Ungleichgewicht noch weiter vergrößert). Die Wachstumsstrategie ist als Problemlösung jedoch in einem doppelten Sinn völlig ungeeignet. Erstens ist Wachstum auf die Dauer aus vielen Gründen gar nicht möglich und wünschenswert, und zweitens, wenn es tatsächlich zu einem Wachstum kommt, der den weniger Vermögenden einen gewissen Ausgleich für den Vermögenstransfer hin zu den Reichen bringt, verringert sich damit das Ungleichgewicht überhaupt nicht, im Gegenteil: die Reichen, die am Einkommenszuwachs durch Wachstum zumindest proportional mitprofitieren, werden diesen Zuwachs nicht zur Ausweitung ihres Verbrauchs, sondern zur Vermehrung ihres Vermögens nutzen. Ihre indirekte Belastung durch das Zinssystem wird nicht steigen, aber ihre direkten Zinseinnahmen. Ihr positiver Saldo wächst weiter und damit das Ungleichgewicht im System.
Scheinlösung Spekulation
Dieser „unterirdische Geldstrom” von Arm nach Reich, der aus dem Ungleichgewicht resultiert, wird im Laufe der Zeit mit dem Wachsen des Ungleichgewichts immer größer – ein exponentieller, also sich selbst verstärkender Prozess, der entweder unerträgliche soziale Spannungen heraufführt und zu einem katastrophalen Systemzusammenbruch führt oder durch eine Reform des Geld- und Finanzsystems politisch außer Kraft gesetzt wird. Eine dritte Lösung, nämlich, dass dieser Prozess sich gleichsam aus sich selbst heraus „deckelt”, indem die riesigen ‚überflüssigen’ Vermögen der Reichen nicht mehr über Kredite in die Wirtschaft drängen (weil diese einfach nicht mehr die erwarteten Renditen bringen kann), sondern ihr Heil in der Spekulation suchen, ist eine Illusion, wie die gegenwärtige Finanzkrise zeigt, die aus einer heillosen Zunahme der Spekulation resultiert. Sie schafft das Problem wachsender Vermögenskonzentration nicht aus der Welt, sondern potenziert es noch.[4]
Während die zunehmende Vermögenskonzentration durch das Zinssystem eine berechenbare Problemverschärfung darstellt, bei der sich noch hoffen lässt, dass sich rechtzeitig Gegenkräfte entwickeln, beschwört die globale überdimensionale Spekulation unberechenbare Gefahren herauf: Spannungen und Risiken, die sich gegenseitig aufschaukeln, schnell zuspitzen und eruptiv entladen, Einbrüche, die Dominoeffekte auslösen, so dass die Situation möglicherweise außer Kontrolle gerät. Die gegenwärtige Finanzkrise hat viele das Fürchten gelehrt, und zurzeit (April 2009) ist es noch völlig offen, ob es durch das Krisenmanagement der Politik, die sich zu durchaus ungewöhnlichen Anstrengungen aufgerafft hat, gelingt, den ganz großen Systemzusammenbruch jetzt zu verhindern.
Die gegenwärtige Größenordnung des „unterirdischen Stromes”?
In der unerbittlichen Dynamik, mit der der „unterirdische Geldstrom” durch das Zinssystem wächst, liegt das eigentliche Problem (zur Dynamik dieses Wachstums s. ANHANG Punkt (4)). Vor diesem Hintergrund ist es zweitrangig, exakt zu bestimmen, wie weit dieser Prozess bereits fortgeschritten ist und möglichst genau zu berechnen, in welchem Ausmaß bereits heute die Vermögenden vom Zinssystem profitieren und die weniger Vermögenden draufzahlen. Die politisch entscheidende Aussage, auf die über kurz oder lang reagiert werden muss, ist, dass das Ungleichgewicht zunehmen wird, solange sich nichts Grundlegendes ändert.
Eine wirklich exakte Bestimmung des Vermögenstransfers ist aufgrund der Datenlage schwierig bis unmöglich, da die Statistiken noch nicht einmal zwischen Unternehmenseinkommen und Vermögenseinkommen unterscheiden. Nirgendwo wird statistisch ausgewiesen, wie groß die gesamte Zinslast insgesamt ist, mit der die Haushalte (direkt und indirekt) belastet werden. Es ginge sicher zu weit zu sagen, dass die offizielle Statistik bewusst darauf angelegt ist, die Zinsproblematik zu verstecken (bitte keine Verschwörungstheorie!), man kann jedoch sagen, dass sie nicht darauf angelegt ist, das Problem sichtbar zu machen. Was jedoch nicht verwunderlich ist: das Zinsproblem spielt im öffentlichen Bewusstsein keine Rolle und folglich auch nicht bei den Statistikern.
Trotzdem lassen sich den Statistiken Anhaltspunkte entnehmen, die man für den Zweck interpretieren kann. Sie müssen ggf. durch vorsichtige Abschätzungen ergänzt und durch Querbezüge zu anderen Daten auf Plausibilität hin überprüft werden. Ziel dabei kann nur sein, eine Aussage über die Größenordnung des Transfers von Arm nach Reich, den das Zinssystem mit sich bringt, treffen zu können. Mehr ist nicht vonnöten.
Die Abschätzung des Transfers durch Helmut Creutz
Es ist das Verdienst des Wirtschaftsanalytikers Helmut Creutz, dass er als erster das elementare, systemgefährdende und jeder Gerechtigkeit spottende Problem, das mit einer Zinswirtschaft verbunden ist, erkannt hat. Dank seiner Arbeiten wissen wir heute, dass nur 10% der Haushalte, und zwar die reichsten Haushalte, die Gewinner sind, und dass die große Mehrheit draufzahlt und zwar in einer Größenordnung, die von hoher politischer Relevanz ist. Es geht heute für die große Mehrheit um eine Mehrbelastung von mehreren Tausend € im Jahr. Der mit dem Zinssystem de facto verbundene „unterirdische Geldstrom” von Arm nach Reich, konkret: von 90% der Haushalte hin zu den 10% reichsten Haushalten, kann heute nur noch verdrängt, verschwiegen, vertuscht oder aus Unkenntnis geleugnet, aber nicht mehr ernsthaft bestritten werden. Was man jedoch kann, ist seine Größenordnung zu bezweifeln bzw. in Frage zu stellen, dass man aufgrund der für die Zinsproblematik misslichen Datenlage und der verwirrenden Komplexität volkswirtschaftlicher Zusammenhänge überhaupt in der Lage ist, die Größe des Problems hinreichend zuverlässig abzuschätzen. Ich werde mich im Folgenden mit einer Reihe von Einwänden auseinandersetzen, die in diese Richtung zielen. Doch zunächst die Grundstruktur des Abschätzungsverfahrens:
Helmut Creutz[5] geht bei seiner für das Jahr 2000 vorgenommenen Abschätzung der (direkten und indirekten) Zinsbelastungen der Haushalte von den Bankzinserträgen aus. Sie werden seit 1968 von der Deutschen Bundesbank und seit 1980 auch vom Statistischen Bundesamt (in leichter Abweichung) herausgegeben. Die Bundesbank gibt sie für 2000 mit 370 Mrd. € an, das Stat. Bundesamt mit 392 Mrd. €. Diese Bankzinserträge müssen „konsolidiert” werden, d.h. es sind die Zinsen, die im Interbankverkehr gezahlt werden, herauszurechnen, weil diese ja nicht als Belastungen bei den Haushalten ankommen. Andererseits müssen jedoch die Zinsen für die Geldanlagen außerhalb der Banken, also bei Versicherungen, Investmentfonds usw. hinzugerechnet werden. So dürften die Bankzinserträge in erster Näherung einen brauchbaren Anhalt für die gesamte Schuldzinsbelastung in der Volkswirtschaft darstellen, die letztlich von den Haushalten zu tragen ist.
Zu den Kreditzinsen kommen die Zinsen auf Sachkapital, d.h. auf die wirtschaftlich eingesetzten Sachvermögen (einschließlich des Bodens). Denn in einer Zinswirtschaft erwartet jeder auch für investiertes Eigenkapital einen Gewinn (mindestens) in der Höhe des möglichen Zinsgewinns durch Kreditvergabe. Ausgehend von Abschätzungen über die gesamten zinstragenden Vermögenswerte in der Volkswirtschaft hat Creutz in seinem Ansatz zu den Zinsen für Geldschulden noch etwa die Hälfte dieser Summe für Zinsen auf unverschuldetes Sachkapital hinzugerechnet.[6] Geht man von den 370 Mrd. € Bankzinserträgen aus, so müssen von diesen die darin enthaltene Bankmarge von 80 Mrd. € (s.u.) abgezogen werden, und die verbleibende Summe von 290 Mrd. € um die Hälfte erhöht werden. In der Summe ergibt sich also eine Belastung von 515 Mrd. € (290 + ½*290 + 80). Creutz rechnet konservativ mit 500 Mrd. €. an Zinsbelastungen (Kreditzinsen und Zinsen auf Sachkapital).
Diese Zinslast von 500 Mrd. € wird letzten Endes von den Haushalten in ihren Ausgaben getragen. Diesen Belastungen stehen insgesamt 420 Mrd. € an Zinserträgen aufgrund der (zinstragenden) Vermögen der Haushalte gegenüber. Die Differenz von 80 Mrd. € verbleibt als sog. Bankmarge bei den Banken als Bearbeitungsgebühr, Risikoprämie und Bankgewinn im Zusammenhang der Kreditvergabe. Mit anderen Worten: Es werden 80 Mrd. € mehr aus den Haushalten über ihre Ausgaben herausgeholt, als an die Haushalte ausgezahlt wird. Die Banken wollen auch leben! (Zur Kritik an der Einbeziehung der Bankmarge in die Verteilungsrechnung s.u.).
Die entscheidende Frage: Wie viele der 38 Mio. Haushalte kassieren mehr Zinsen direkt, als sie in ihren Ausgaben indirekt bezahlen, und bei wie vielen ist es umgekehrt? Dazu müssen die indirekt über die Ausgaben zu zahlenden Zinsen mit den jeweiligen direkten Zinseinnahmen aufgrund der Vermögen verglichen werden.
Creutz teilt die 38 Mio. Haushalte in Deutschland in 10 Gruppen zu je 3,8 Mio. nach ihren durchschnittlichen Haushaltseinkommen auf. Für jede Gruppe wurden die durchschnittlichen Ausgaben und damit die Zinslasten und aufgrund der jeweiligen Vermögensverhältnisse (wobei die Vermögen stärker spreizen als die Einkommen) die Zinserträge ermittelt. Die Ermittlungen basieren auf statistischen Daten[7], die durch vorsichtige plausible Abschätzungen ergänzt werden mussten.
Das Ergebnis: Die Gruppen 1-9, also 90% der Haushalte, haben nach dieser Überschlagsrechnung insgesamt einen Verlust von 232 Mrd € zu tragen, während die reichste Gruppe 10 einen positiven Zinssaldo von 152 Mrd. € aufweist. Die 90%ige Mehrheit verliert genau um den Betrag der Bankmarge (80 Mrd.) mehr, als die reichsten 10% gewinnen.
Kritische Auseinandersetzung mit Einwänden
(1) Das Konsolidierungsproblem bei den Daten
Der erste Einwand richtet sich gegen die Brauchbarkeit der in den Bundesbankberichten ausgewiesenen Zinserträge und -aufwendungen der Banken als zuverlässigen Anhaltspunkt zur Abschätzung der heutigen gesamten Zinsbelastungen und Zinserträge der Haushalte. Im Finanzsystem hätten in den letzten Jahren die bankinternen Kredite enorm zugenommen, so dass deshalb aus den Bankzinserträgen und -aufwendungen heute ein größerer Teil herausgerechnet werden müsse. Creutz war in seiner Abschätzung von ca. 25% ausgegangen. Letztlich zielt dieser Einwand darauf, überhaupt die Möglichkeit, über die Bankzinserträge zu hieb- und stichfesten Aussagen zu gelangen, in Frage zu stellen.
Nach Zahlen der Deutschen Bundesbank[8] betrugen z.B. 2005 für die deutschen Geschäftsbanken bei einer Bilanzsumme von 6.859 Mrd. die Einlagen von Nichtbanken u.a. Passiva 5.290 Mrd. und die Einlagen von anderen Banken 1.569 Mrd. Diese Einlagen bedeuteten für die Geschäftsbanken eine Zinsaufwendungen von zusammen 241 Mrd. €. Im gleichen Jahr betrugen die Kredite an Nichtbanken u.a. Aktiva 4.583 Mrd. und die Kredite an andere Banken 2.276 Mrd. €. Die hieraus resultierenden Bankzinserträge: 329 Mrd. €.
Wir haben also bei den Einlagen einen Anteil von 24%, bei den Krediten von 33%, der auf die anderen Banken entfällt. Die Interbank-Zinsen liegen in der Regel niedriger als die für den Außenverkehr. Setzt man sie mit einem Prozentpunkt niedriger an, würde der Anteil der Interbank-Zinsen für die Einlagen auf etwa 21%, bei den Krediten auf etwa 31% sinken.
2007 betrug die Bilanzsumme deutscher Geschäftsbanken 7.592 Mrd. €, die Einlagen von Nichtbanken u.a. Passiva 5.813 Mrd. und von anderen Banken 1.779 Mrd. Diese Einlagen bedeuteten für die Geschäftsbanken eine Zinsbelastung von zusammen 327 Mrd. €. Die Kredite an Nichtbanken u.a. Aktiva betrugen 5.069 Mrd. und an andere Banken 2.523 Mrd. €. Die hieraus resultierenden Bankzinserträge: 419 €. Nach entsprechender Berücksichtigung der unterschiedlichen Zinssätze ergibt sich bei den Zinsbelastungen ein Interbank-Anteil von 22%, bei den Zinserträgen von 29%.
Fazit: Die Realität liegt heute nicht weit von der von Creutz für das Jahr 2000 getroffenen Annahme entfernt. Kein Wunder: Macht man die gleiche Rechnung für das Jahr 2000 auf, so ergeben sich da praktisch die gleichen Verhältnisse: bei den Zinsbelastungen ein Interbank-Anteil von etwa 20%, bei den Zinserträgen etwa 30%. Mit anderen Worten: die behauptete Zunahme des Interbank-Verkehrs hat gar nicht stattgefunden.
Ein anderer Kritikpunkt zielt ebenfalls auf ein Konsolidierungsproblem. Nach der Deutschen Bundesbank (Sonderveröffentlichung 4/2008) betrugen 2007 die gesamten Geldschulden 7.583 Mrd. € (Private Haushalte: 1.574 Mrd., Unternehmen: 4.447 Mrd., Staat: 1.589 Mrd.). Damit sind sie praktisch mit den Bankbilanzen der Geschäftsbanken identisch. Gegenüber den Zahlen der Bundesbank über die Verbindlichkeiten insgesamt wird aber der Einwand erhoben, sie wären zu hoch, da ein Teil davon (die Verbindlichkeiten der Unternehmen; bei den anderen Sektoren: Haushalte und Staat spielt dieses Problem keine Rolle) nicht „konsolidiert” sei, d.h. gegenseitige Verschuldungen von Unternehmen nicht herausgerechnet seien. Deshalb wären auch die (die Haushalte belastenden) Zinsen auf Geldschulden insgesamt zu hoch angesetzt. Nun, ist das tatsächlich der Fall, ergibt sich im Gegenzug ein entsprechend größerer Betrag für das (zinstragende) Sachkapital (denn dieser ermittelt sich aus der Differenz zwischen „Kapitalstock” und Geldkapital; s.o.).
Mit anderen Worten: mit dem Hinweis auf das Konsolidierungsproblem in den Daten der Bundesbank, auf die sich Creutz stützt, ist sein Ansatz nicht aus den Angeln zu heben. Seine Abschätzung der Gesamtzinslast – d.h. der Zinsbelastung durch Geldschulden und schuldenfreies Sachkapital – auf runde 500 Mrd. € dürfte, was die Größenordnung betrifft, unbestreitbar sein.
(2) Abschätzung auf der sicheren Seite?
Wird in diesem Abschätzungsverfahren der Effekt der Umverteilung (womöglich sogar absichtsichtlich aufgrund reichenfeindlicher Ressentiments) überschätzt, um das Skandalöse der Zinswirtschaft möglichst groß erscheinen zu lassen? Es gibt zwei Punkte, die genau das Gegenteil zeigen:
Da ist einmal der Tatbestand, dass es besonders bei den Vermögen der Reichen und Superreichen eine hohe Dunkelziffer (vor allem aus steuerlichen Gründen) gibt. Da die verwendeten Vermögensdaten auf Stichprobenerhebungen basieren, dürften die zinstragenden Vermögen von Gruppe 10 eher zu niedrig als zu hoch angesetzt sein.
Zum anderen enthalten die angesetzten Zinsbelastungen auch die Zinsen, die für die direkten Schulden von den Haushalten bezahlt werden. Diese direkten Schulden werden nicht gesondert behandelt, sondern gehen bei der Abschätzung mit in die indirekte Belastung der Haushaltsausgaben ein. Dies entspricht der Realität, soweit es Schulden von Haushalten sind, die sich in den Mieten anderer Haushalte als Belastungen niederschlagen. Aber nicht alle private Schulden können über irgendwelche Belastungen anderer hereingeholt werden. Dasselbe gilt auch von den Schulden von Unternehmungen, die im Wettbewerb scheitern und die die Zinsen nicht über die Produkte wieder einspielen. Man denke z.B. an die vielen kleinen Versuche von Existenzgründungen, die gar nicht bis zur Produktreife gedeihen, und wo die Zinsen für die aufgenommenen Kredite für die Akteure nichts anderes als hohe eigenen Opfer bedeuten. Indem bei der Abschätzung alle diese Zinsen mit über die Haushaltsausgaben verteilt werden, erhöhen sie rechnerisch auch die Belastungen der reichsten 10% und schmälern damit rechnerisch ihren Gewinn. In Wahrheit dürften die reichsten 10% kaum eigene Schulden haben oder Zinsbelastungen, auf denen sie sitzenbleiben, insofern von diesem Teil der Zinsbelastung so gut wie gar nichts tragen. Der Geldfluss von Arm nach Reich durch das Zinssystem dürfte also auch durch diesen Sachverhalt eher größer sein als hier abgeschätzt.
Es gibt eine Reihe weiterer Einwände, die darauf zielen, das Zinsproblem in seiner sozialen und systemaren Relevanz herunterzuspielen bzw. als nicht so schwerwiegend erscheinen zu lassen. Einwände, die eine gewisse Berechtigung haben und in ihrem Gewicht in Bezug auf das Gesamtergebnis ermittelt werden müssen. Die ersten beiden Einwände betreffen den Faktor Staat bei der ganzen Verteilunsproblematik.
(3) Der Faktor Staat spielt bei der Verteilung mit
- a) Durch die Nichtberücksichtigung der Zinsbesteuerung wird ein Problem aufgebauscht, das in Wahrheit viel kleiner ist.
- b) Bei der Belastungsaufteilung zwischen Arm und Reich ist nicht berücksichtigt, dass bei den Lohn- und Einkommensteuern die Reichen einen wesentlich größeren Anteil tragen als bei den Haushaltsausgaben für Produkte (Güter, Dienstleistungen). Bei Berücksichtigung würde das Transferproblem deutlich abgeschwächt.
Beide Einwände sind berechtigt. Sie werden deshalb in der unten ausgeführten Abschätzung berücksichtigt.
(4) Das Problem Bankmarge
Da die Bankmarge (Gewinne, Bearbeitungsgebühr, Risikoprämie; Größenordnung: 80 Mrd. €) bei der Bank verbleibt und nicht für angelegte Vermögen an die Haushalte ausgezahlt wird, darf dieser Betrag nicht in die Verteilungsrechnung einbezogen werden.
Die Bankmarge ist zwar ebenfalls eine Belastung der Haushalte und wird nach dem gleichen Muster wie die eigentlichen Zinsen (die sog. „Urzinsen”), d.h. nach dem Muster der jeweiligen Ausgaben der verschiedenen Haushaltsgruppen, als Belastung an die Haushalte verteilt. Während aber die „Urzinsen” nach dem Muster der Vermögensverteilung den Haushalten zufließen, gelangt die einbehaltene Bankmarge im wesentlichen über die Einkommen von Bankangestellten und die Gewinne von Bankaktionären an die Haushalte zurück, also nach einem völlig anderen Verteilungsmuster. Diese Geldflüsse zwischen Haushalten und Banken haben mit dem hier betrachteten Umverteilungsprozess durch das Zinssystem so wenig zu tun wie die Geldflüsse zwischen den Bäckereien und den brotessenden Haushalten. Alle sind durch das Brotessen entsprechend ihrem spezifischen Brotverzehr mehr oder weniger finanziell belastet, das Geld fließt den Bäckerein, Mühlen usw. bzw. ihren Besitzern, Angestellten, Aktionären zu. Aber niemand käme auf die Idee, hier einen problematischen Vermögensumverteilungsprozess zu suchen.
Bei der Betrachtung, die ein korrektes und faires Bild von den Vermögensverschiebungen zwischen den unterschiedlich vermögenden Haushalten aufgrund des Zinssystems liefern soll, hat die Bankmarge in der Tat schon deshalb nichts verloren, weil sie ja auch in einem „zinsfreien” Finanzsystem existieren würde. Man kann allerdings fragen, ob die Zinswirtschaft ein unnötig aufgeblähtes Bankensystem bedingt und ein alternatives Geldsystem auch diese Belastung der Haushalte reduzieren würde. Doch ob die Banken heute unnötig viel verdienen, ist unabhängig von der Frage nach dem zinsbedingten Vermögenstransfer von Arm nach Reich zu stellen.
(5) Überschätzung durch den gewählten Zeitpunkt?
Mit 2000 wurde ein Jahr für die Abschätzung gewählt, zu dem die Bankzinserträge mit 370 Mrd. € besonders hoch waren. Im Jahre 2005 z.B. lagen sie bei 329 Mrd. €.
Obwohl 2006 die Bankzinserträge schon wieder bei 358 Mrd. und 2007 bei 419 Mrd. € lagen[9], wird für die folgende Abschätzung das Jahr 2005 gewählt, das mitten in einer Niedrigzinsphase liegt, wo das Zinsproblem naturgemäß weniger zu Buche schlägt. Auch die die Einwände (3) und (4) werden voll berücksichtigt, um zu sehen, wie weit sich damit das Zinsproblem relativiert.
Abschätzung des „unterirdischen Geldstroms” für das Jahr 2005
Die folgende Rechnung wird nicht detailliert für 10 Haushaltsgruppen durchgeführt, wie es Creutz gemacht hat, sondern vereinfacht für zwei Gruppen:
Gruppe A umfasst die Mehrheit der 9 „ärmeren” Gruppen (insgsamt 34,2 Mio. Haushalte), Gruppe B die 10%ige reichste Gruppe (3,8 Mio. Haushalte):
Bankzinserträge: 329 Mrd. €,
Bankzinsbelastungen: 241 Mrd. €
Bankmarge: 88 Mrd. €. [10]
Grundlage für die Verteilungsrechnung (s.o. Einwand 4) ist, was die Haushalte an Zinsen bekommen: die Bankzinsbelastungen von 241 Mrd. €. Zählt man zu diesen noch einmal die Hälfte für die Verzinsung des unverschuldeten Sachkapitals hinzu, kommt man auf eine Größe von abgerundet 360 Mrd. €, mit der die Haushalte indirekt belastet und direkt begünstigt werden. Allein diese Größe ist „umverteilungsrelevant”.
Zwischenüberlegung:
Erscheinen diese 360 Mrd. € von der Größenordnung her plausibel?
Für das Jahr 2005 gibt der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Dez. 2008, S.67*, folgende Zahlen an:
Masseneinkommen (=Nettolöhne und -gehälter + empfangene monetäre Sozialleistungen): 981 Mrd. €
Verfügb. Einkommen (= Masseneinkommen + Betriebsüberschuss, Selbständigeneinkommen, Vermögenseinkommen (netto!), übrige empfangene laufende Transfers, Einkommen der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck …):
1.481 Mrd. €.
Hieraus ergibt sich eine Differenz von 500 Mrd. €, sie stellt gewissermaßen das „Nicht-Masseneinkommen” dar. Da diese Zahl aus der Differenz zweier Netto-Größen entsteht, ist sie ebenfalls eine Netto-Größe: sie umfasst im wesentlichen die Unternehmer- und Vermögenseinkommen. Die entscheidende Frage: Wie viel ist hiervon Vermögenseinkommen? Diese Zahl wird m.W. in keiner Statistik direkt ausgewiesen.
In einem ersten Ansatz könnte man den sog. „kalkulatorischen Unternehmerlohn” abziehen, der mit 143 Mrd. € angegeben wird[11] und sich aus der Zahl der Unternehmer und mithelfenden Familienangehörigen multipliziert mit dem Durchschnittslohn der Arbeitsnehmer ergibt. Selbst unter Gerechtigkeitsaspekt würde ich, zumindest für die Selbständigen selbst, die die Verantwortung tragen, mehr zubilligen wollen. Aber letztlich geht es ja um die tatsächlichen Unternehmenseinkommen, die man abziehen muss. Zieht man von den 500 Mrd. € nicht 143 Mrd. €, sondern 200 Mrd. € ab, verbliebe noch ein Spielraum von 300 Mrd. € für Netto-Vermögenseinkommen bzw. von 400 Mrd. € Vermögenseinkommen vor Steuern (mit 25% Steuer auf alle Vermögenseinkommen gerechnet) und damit genügend Raum im Hinblick auf den obigen Ansatz von 360 Mrd. € Brutto-Zinserträge der Haushalte.
Eine weitere Überlegung zeigt, dass diese 360 Mrd. € für das Jahr 2005 auf keinen Fall zu hoch angesetzt sind. Bezieht man sie auf das gesamte Anlagevermögen von über 11.000 Mrd. € (vgl. Fußnote 6) zu dieser Zeit, ergibt sich insgesamt eine durchschnittliche Kapitalverzinsung von 3,3%, was auch für eine Niedrigzinsphase nicht zu hoch sein dürfte.
*
Die Frage für das weitere Vorgehen ist nun, auf welche Größe sind die 360 Mrd. € Zinsbelastung korrekterweise zu beziehen. Um ein Gefühl für die Größenordnung zu bekommen, mit der sich die verschiedenen Annahmen bzw. die Berücksichtigung der kritischen Einwände im Gesamtergebnis auswirken, werden drei Varianten durchgerechnet.
Variante I: Zinslast wird nur auf die Haushaltsausgaben bezogen
Die einfachste Möglichkeit ist, die gesamte Zinsbelastung nur auf die Haushaltsausgaben für Produkte zu beziehen. Man geht dazu von den verfügbaren Einkommen von 1.481 Mrd. € (das sind Netto-Einkommen!) aus, reduziert sie um den Sparbetrag von 157 Mrd. € und gelangt zu Haushaltsausgaben von 1.324 Mrd. €.[12] Bezieht man auf diese die 360 Mrd. €, gelangt man zu einer Zinsbelastungsquote von 27,2%.
Aufteilung der Zinsbelastung durch die Haushaltsausgaben (für Produkte usw.):
Aufteilung der Netto-Einkommen für das Jahr 2005: A: 75% , B: 25%.[13]
Die Gesamtsparrate 2005 betrug 10,6% (Gesamtersparnisse: 157 Mrd. €).
Annahme: Die reiche Gruppe B spart 24%.[14] Hieraus errechnet sich eine Sparrate für A von 6,1%. Durch die unterschiedlichen Sparraten verschiebt sich das Verhältnis zwischen A und B von 75:25 (bei den Netto-Einkommen) auf 78,8:21,2 (bei den Ausgaben).
38 Mio. Hh A (34,2 Mio. Hh) B (3,8 Mio. Hh)
Verfügb. Einkommen 1.481 1.111 (75%) 370 (25%)
Sparbetrag 157 (10,6%) 68 (6,1%) 89 (24%)
Hh-Ausgaben 1.324 1.043 (78,8%) 281 (21,2%)
Zins-Last (27,2%) 360 284 76
Die Aufteilung der Zinserträge:
Die Vermögen seien im Verhältnis 40 : 60 aufgeteilt. [15]
Annahme: Die Vermögen der reichsten Gruppe B werden mit einem Zinssatz verzinst, der um den Faktor 1,5 höher liegt als der, den die Mehrheitsgruppe A erhält. Damit entfallen von den gesamten Zinseinnahmen der Haushalte auf B etwa 69% (1,5*60/(40 + 1,5*60)) und auf A nur 31% (40/(40+1,5*60)):
38 Mio. Hh A (34,2 Mio. Hh) B (3,8 Mio. Hh)
Zins-Erträge (vor Steuern) 360 112 (31%) 248 (69%)
Zinssaldo (vor Steuern): 112-284= -172 248-76=+172
Gruppe A verliert 172 Mrd. €, die die Gruppe B gewinnt.[16]
Variante II: Zinslast nach Haushaltsausgaben und Steuern differenziert
Hiergegen ist jedoch mit einem gewisssen Recht einzuwenden (vgl. Einwand 3b), dass von den gesamten Verbindlichkeiten im volkswirtschaftlichen System (ca. 7.500 Mrd.) etwa 20% (1.500 Mrd.) die Staatsverschuldung betrifft (s.o.). Die staatlichen Zinsbelastungen werden jedoch nicht alle über die Ausgaben der Haushalte hereingeholt, sondern nur zum Teil (und zwar über Verbrauchssteuern, vor allem die Mehrwertsteuer). Einen Teil holt sich der Staat aber über die (personenbezogene) Lohn- und Einkommenssteuer.
Wir addieren deshalb zu den verfügbaren Einkommen (das sind Netto-Einkommen!) bzw. die aus ihnen nach Abzug der gesparten Beträge verbleibenden Haushaltsausgaben (1.324 Mrd. €) in einem ganz groben Ansatz 100 Mrd. € als pauschale Größe für die Lohn- und Einkommenssteuer (hier ohne Zinssteuer gerechnet; sie wird erst in Variante III berücksichtigt) und kommen zu einer Größe von 1.424 Mrd. €, auf die jetzt die Zinsbelastung gleichmäßig verteilt wird. Damit ergibt sich eine durchschnittliche Zinsbelastungsquote von 25,3% (360/1.424) für die Haushaltsausgaben und die Lohn- und Einkommensteuer. Während die Haushaltsausgaben (und entsprechend die Zinsbelastung) von A und B im Verhältnis 78,2:21,2 aufgeteilt ist (s.o.), wird bei den Steuern angenommen, dass Gruppe B davon die Hälfte trägt.[17]
38 Mio. Hh A (34,2 Mio. Hh) B (3,8 Mio. Hh)
Hh-Ausgaben 1.324 1.043 (78,8%) 281 (21,2%)
Steuern 100 50 50
Summe 1.424 1.093 331
Zins-Last (25,3%) 360 276 84
Zins-Ertrag (v. Steuern) 360 112 (31%) 248 (69%)
Zinssaldo (vor Steuern): -164 +164
Durch die Berücksichtigung des Sachverhalts, dass nicht die gesamte Zinsbelastung auf die Produktpreise durchschlägt, sondern eine kleiner Teil über die personenbezogenen Steuern den Haushalten entzogen wird, hat sich das Ergebnis nicht grundlegend verschoben: es fällt ca. 5% gemäßigter aus (statt 172 Mrd. errechnet sich ‚nur’ noch ein Transfer von 164 Mrd. €).
Mit dem Durchschnittswert der Zinsbelastung in den Produktpreisen und in den personenbezogenen Steuern ist man zudem auf der sicheren Seite im Hinblick auf die Gefahr, den Transfer durch das Zinssystem zu überschätzen. Ganz genau genommen müsste man nämlich noch differenzieren, da der Staat zumindest einen Teil seiner Zinslast über die verbrauchsbezogenen Steuern hereinholt. Das bedeutet, die Belastungsquote bei den Ausgaben könnte leicht erhöht, die für die Steuern deutlich niedriger angesetzt werden. Hieraus ergäbe sich ein um einige Milliarden größerer Transfer von Arm nach Reich. Mit anderen Worten: Es wird wirklich kein großer Fehler gemacht, wenn man die gesamte Zinsbelastung einfach auf die Haushaltausgaben (für Produkte) bezieht.
Variante III: Einbeziehung der Zinsbesteuerung
Es werden im System 360 Mrd. € an die Haushalte verteilt. Geht man von einer 25%igen Steuer auf alle Kapitalerträge aus (falls sie tatsächlich gezahlt wird!), kommt man unter überschlägiger Berücksichtung der Steuerfreibeträge, insgesamt zu einer Steuerlast von ca. 82 Mrd. €. Davon trägt Gruppe A etwa 21 Mrd. und Gruppe B etwa 61 Mrd. € aufgrund der Verteilung der Vermögen bzw. Zinseinnahmen. Auch diese Steuer enthält natürlich ihrerseits einen Zinsanteil, den man bei der Verteilungsrechnung berücksichtigen muss.
Wir gehen jetzt also von einer Bezugsgröße von 1.506 Mrd. aus (1.324 + 100 + 82) aller Haushaltsausgaben (also incl. aller Lohn- und Einkommenssteuern) und kommen damit auf eine durchschnittliche Belastungsquote für diese von 23,9% (360/1.506).
38 Mio. Hh A (34,2 Mio. Hh) B (3,8 Mio. Hh)
Hh-Ausgaben 1.324 1.043 (78,8%) 281 (21,2%)
Steuern 100 50 50
Zins-Steuern 82 21 61
Summe 1.506 1.114 392
Zins-Last (23,9%) 360 266 94
Zins-Ertrag (v. Steuern) 360 112 (31%) 248 (69%)
Zinssaldo (vor Steuern): -154 +154
Zins-Steuern 21 61
Zinssaldo (nach Z-Steuern) -175 +93
Wie ist dieses Ergebnis zu interpretieren? Aufgrund ihrer Zinseinnahmen hat Gruppe A von den 82 Mrd. Zinssteuern 21 Mrd. und Gruppe B 61 Mrd. € zu zahlen. Das bedeutet: Der tatsächliche „unterirdische Geldstrom” von A nach B beträgt rund 154 Mrd. €. Von diesen 154 Mrd. fließen 61 Mrd. an den Staat, so dass für B ein positiver Saldo von 93 Mrd. € verbleibt. A hingegen muss die 154 Mrd. €, die zu B fließen, finanzieren und zudem 21 Mrd. an Zinssteuern bezahlen, was sich zu einem Verlust von 175 Mrd. € aufsummiert.
Plakativ kann man das Zinssystem in seinen sozialen Folgen so beschreiben: Es erzeugt bei den reichsten 10% der Haushalte einen Netto-Gewinn über 90 Mrd. € und bei der großen Mehrheit einen „Brutto-Verlust” von 175 Mrd. €. Die reichste Gruppe hat also einen Kaufkraftgewinn von über 90 Mrd. €. Die Kaufkraft, die die große Mehrheit verloren hat, ist bei der reichsten Gruppe und beim Staat gelandet. Dieses skandalöse Ergebnis spiegelt den Idealzustand wider, dass die Zinssteuer von allen, auch den Reichen, tatsächlich gezahlt wird.
Diese Abschätzung, die lediglich zwei Gruppen polar gegenüberstellt, gibt nur eine sehr grobes Bild der Situation. Die besondere Stellung, die die zweitreichste Gruppe einnimmt, fällt dabei unter den Tisch. Diese ist aber für die politische Bewertung des Zinsproblems durchaus von Interesse. Die zweitreichste Gruppe nimmt nämlich insofern eine Sonderstellung ein, als sich bei ihr Verlust und Ertrag aus dem Zinssystem, wenn man die Zinssteuern nicht berücksichtigt, in etwa die Waage halten. Wenn zwei Größen dicht beeinander liegen, so führen schon leichte Veränderungen bei den Annahmen entweder zu einem positiven oder zu einem negativen Saldo. Rechnet man jedoch mit den Zinssteuern, die die Realität kennzeichnen, so gehört die zweitreichste Gruppe in jedem Fall auch zu den (leichten) Verlierern des Zinssystems. Nur die reichsten 10% gewinnen.
Die mehr oder weniger „neutrale” Sonderstellung der zweitreichsten Gruppe bedeutet aber auch, dass letzten Endes die Last des Zinssystems von 80% der Haushalte getragen wird.
Höhere Besteuerung der Zinserträge als Lösung?
Es zeigt sich damit auch, dass das soziale Problem der Subventionierung des Reichtums, das mit dem Zinssystem verbunden ist, nicht durch höhere Besteuerung zu lösen ist. Es ist durch eine solche Steuer zwar theoretisch möglich, den positiven Überhang bei der reichen Gruppe massiv zu drücken, der Preis ist jedoch logischerweise, dass auch der negative Saldo der Mehrheit wächst, die jetzt noch weniger durch direkte Zinseinnahmen ihre indirekten Zinsbelastungen ausgleichen kann. Würde man den Steuersatz so hochtreiben (dafür wäre ein Steuersatz von mehr als 60% nötig) , dass auch den reichsten 10% praktisch kein positiver Überhang bliebe (nur eine noch kleinere Minderheit von Superreichen würden noch Gewinne machen), hätte man die soziale Schieflage nicht wirklich beseitigt (die große Mehrheit wären in noch höherem Maße der Verlierer des Zinssystems). Gleichzeitig würde durch eine so hohe Besteuerung die Funktion des Zinses als Geldumlaufsicherung ausgehebelt und die offizielle Hauptbegründung für die Unverzichtbarkeit des Zinses ad absurdum geführt werden.
Ist ein Transfer in dieser Größenordnung mit dem empirischen Befund kompatibel?
Der empirische Befund ist aufgrund methodischer Probleme mit Unsicherheiten belastet. Vermögen sind in einem höheren Grad volatil (flüchtig, flatterhaft) als regelmäßige Einkommen[18]. Besonders bei hohen Vermögen besteht die verständliche Neigung, sie vor allzu neugierigen Fragern zu verstecken. Unter diesen Vorbehalten lassen sich jedoch von 2002 bis 2007 ein Vermögenszuwachs bei dem reichsten Zehntel von etwa 450 Mrd. € feststellen[19]. Dieser Befund passt in der Größenordnung zu dem abgeschätzten Vermögenstransfer.
Zu berücksichtigen ist, dass obige Abschätzung auf der ab 2009 erst eingeführten Zinsabgeltungssteuer von 25% beruht, während zuvor gerade die oberen Einkommensgruppen zum Teil aufgrund ihrer höheren Steuersätze auch die Zinsen höher besteuern mussten und der Überschusssaldo der reichsten 10% theoretisch niedriger ausgefallen sein könnte (was allerdings eher unwahrscheinlich ist). Sehr sibyllinisch wird in dem DIW-Artikel auf dieses Problem Bezug genommen, ohne es klar zu benennen, wenn es heißt, dass die Politik überlegen solle, „inwieweit die derzeit eingeführte Abgeltungssteuer hilfreich ist, um das derzeitige Ausmaß an Vermögensungleichheit nicht weiter auszubauen”[20] . Etwas deutlicher wird der letzte Satz des Artikels: „Ein hohes Vermögen geht in der Regel auch mit hohen Einkommen einher, so dass vermögende und damit oft auch einkommensstarke Gruppen besonders von dieser Reform profitieren werden”.[21]
Fazit
Nur die reichsten 10% der Haushalte gewinnen am Zinssystem, und ihr Gewinn liegt selbst in einer Niedrigzinsphase und unter der Voraussetzung einer korrekt abgeführten Abgeltungssteuer von 25% in der Größenordnung von 90 Mrd. €.
Es gibt Gründe dafür, dass der tatsächliche Transfer eher größer ist als hier abgeschätzt. Sie werden noch einmal zusammengefasst:
1) Helmut Creutz weist darauf hin, dass nach Hochrechnungen einiger Finanzinstitute die Vermögenskonzentration bei den reichsten 10% heute bereits bei über 80% liegt. Hier wird mit 60% gerechnet.
2) Sehr Vermögende haben in der Regel keine privaten Schulden. Hier wurde aber so gerechnet, als würden auch die Reichen eine anteilige Last an den Zinsen dafür tragen (s.o. Kritische Auseinandersetzung mit Einwänden, Punkt (2)).
3) Indem für die Haushaltsausgaben und die Steuern mit der gleichen durchschnittlichen Zinsbelastungsquote gerechnet wird, wird der Transfer um einige Milliarden unterschätzt (s.o. zu Variante II).
4) Steuerhinterziehung dürfte bei den Reicheren stärker durchschlagen als bei den Ärmeren.
Steigt das Zinsniveau für die Gesamtheit des Anlagekapitals um einen Prozentpunkt, vergrößert sich die Zinsbelastungsquote um etwa 20%. Damit würden (entsprechend der Linearität der Beziehungen) auch die Zinserträge und damit auch der positive Saldo für die reichste Gruppe um etwa 20% steigen. Je höher die Zinsen, desto größer der Umverteilungseffekt. Macht man z.B. die Abschätzung analog für das Jahr 2007, für das die Bundesbank deutlich höhere Zahlen nennt (Bankzinsbelastungen 2005: 241 Mrd., 2007: 327 Mrd.), so ergeben sich für alle Transferzahlen eine Erhöhung um etwa ein Drittel. Der positive Saldo der reichste Gruppe würde von 90 auf 120 Mrd. € steigen.
Von noch größerer sozialer Relevanz ist das Gegenstück zum Gewinn der Gruppe B, der 3,8 Mio. reichsten Haushalte, die Belastung der übergroßen Mehrheit von 34,2 Mio. Haushalten der Gruppe A. Sie verlieren insgesamt weitaus mehr als Gruppe B gewinnt. Nachfolgend wird das Ergebnis noch einmal zusammengefasst und die Belastung von A nach den unterschiedlichen „Gewinnern” der Belastung bzw. Adressaten der Geldflüsse differenziert:
„Adressat” Belastung von A durchschnittl. Belastung des A-Haushalts
B (die reichsten 10%) 154 Mrd. € 4.500 € (154 Mrd./34,2 Mio.)
Staat 21 Mrd. € 600 € (21 Mrd./34,2 Mio.)
zusammen 175 Mrd. € 5.100 €
Dem Verlierer, die Mehrheit der Haushalte, stehen als Gewinner des Zinssystems gegenüber:
Gewinner Gewinn durchschnittl. Gewinn eines Haushalts
A (die reichsten 10%) 93 Mrd. € 24.500 € (93 Mrd./3,8 Mio.)
Staat 82 Mrd. € (theoretische Zinssteuern)
zusammen 175 Mrd. €
Die 90%iger Mehrheit finanziert also per Saldo durch ihren Verlust (175 Mrd.) den Reingewinn der reichsten 10% (93 Mrd.) sowie die gesamte Zinssteuer (82 Mrd.). Provokativ ausgedrückt: Die eigentlichen Gewinner des Zinssystems tragen selbst keinen roten Heller zu den Zinssteuern bei. Sie bekommen auch das Geld für die Zinssteuer von der Mehrheit „geschenkt”. Es ist ein Hohn, wenn sich Reiche, die Zinssteuer bezahlen müssen, als Opfer einer staatlichen Abzocke empfinden. (Etwas anderes ist es, wenn die Mehrheit, die an sich schon Opfer des Zinssystems ist, für die wenigen direkten Zinseinnahmen, die ihren indirekten Verlust wenigstens teilweise ausgleichen, dann auch noch Zinssteuer bezahlen müssen). Was den Staat betrifft, so stehen seinen Einnahmen durch die Zinsbesteuerung Zinsausgaben für die Staatsverschuldung in etwa gleicher Höhe gegenüber. Letztlich sind die reichsten 10% die einzigen Gewinner des Zinssystems.
Das Zinssystem bedeutet heute (selbst in einer Niedrigzinsphase) eine Belastung für einen durchschnittlichen Haushalt der Mehrheit von 90% einen Verlust in der Größenordnung von 5.000 € im Jahr. Berücksichtigt man, dass die Last von 175 Mrd. € praktisch nur von 80% der Haushalte getragen wird (die zweitreichste Gruppe nimmt eine „neutrale” Sonderstellung ein; s.o), dann liegt die durchschnittliche Belastung für die 80%ige Mehrheit eher bei 6.000 €. Die Minderheit der 10% reichsten Haushalte hat einen Gewinn in der Größenordnung von 25.000 €. Absolut am stärksten belastet sind die mittleren Gruppen (mit 7.000 -8.000 €). Für das Jahr 2007 kann man diese Zahlen gut und gerne um ein Drittel etwa erhöhen.
Relativ am stärksten belastet ist die untere Einkommensgruppe, die nicht nur den indirekten Zinsbelastungen in ihren Haushaltsausgaben keine Zinseinkommen entgegensetzen kann, sondern die sogar eine negative Sparquote hat, d.h. ihre Haushaltsausgaben teilweise auf Kredit finanziert. Sie zahlt dann nicht nur die direkten Zinsen für die Kredite, sondern zusätzlich die indirekten Zinsen in den mittels Kredit getätigten Ausgaben.
Es handelt sich um Durchschnittszahlen. Insbesondere beim reichsten Zehntel existiert eine enorme Spreizung. So besitzt das oberste 1% allein 23% aller Vermögen[22]. Diese reichste 1%-Gruppe erzielt Gewinne durch das Zinssystem in Größenordnungen, denen gegenüber der Durchschnittsgewinn der reichsten 10% kaum der Rede wert ist. (Angemerkt sei, dass es im konkreten Einzelfall auch den „armen” Zinsgewinner geben kann: der „Asket” z.B., der seine Ausgaben äußerst reduziert hat, aber über ein kleines Vermögen verfügt).
Wenn man sich seine persönliche Bilanz in diesem Verteilspiel vor Augen führen will, so kann man etwa wie folgt vorgehen. Wir hatten oben (Variante I) eine Zins-Belastungsquote für die Haushaltsausgaben von 27,2% für das Jahr 2005 abgeschätzt. Geht man für eine grobe Überschlagsrechnung von einer Faustzahl von 30% aus, macht man keinen großen Fehler. Wenn der Haushalt im Jahr z.B. 20.000 € ausgibt, beträgt die indirekte Zinslast 6.000 €. Der Haushalt müsste also aufgrund seines angelegten Vermögens einen Netto-Zinsgewinn von mehr als 6.000 € (nach Abgeltung der Zinssteuer) aufweisen, um zu den Gewinnerhaushalten zu zählen. Jeder kann diese Faustrechnung im Handumdrehen machen.
Die politisch entscheidende Aussage: Die Umverteilungseffekte wachsen in dem Maße, wie die Vermögen sich immer mehr polarisieren. Und sie tragen gleichzeitig zur wachsenden Polarisierung bei.
Es ist möglich, sich eine grobe Vorstellung von der Geschwindigkeit zu machen, mit der die Polarisierung wächst. Wir betrachten dazu einfach nur einmal die 93 Mrd. €, die B (mindestens und trotz Zinssteuer) gewinnt und A verliert. Wir nehmen dazu an, dass beide Gruppen ihre Ausgaben nicht verändern. Gruppe B kann ihren bisherigen Sparbetrag (89 Mrd. €) um 93 Mrd. vergrößern und entsprechend ihr Vermögen um 182 Mrd. €. Gruppe A hingegen, die bisher 68 Mrd. € gespart hat, muss nun einen Vermögensverlust von 25 Mrd. € hinnehmen, wenn sie am bisherigen Konsum festhalten will. B hat für seine Anlagen einen um den Faktor 1,5 höheren Zinssatz als A (A: 2,5%, B: 3,8%; s. ANHANG Punkt (4)). Das bedeutet: A wird insgesamt ca. 0,5 Mrd. € (25*0,025) weniger an direktem Zinsertrag haben und B ca. 7 Mrd. € (182*0,038) mehr. Gleichzeitig verändern sich natürlich auch die Zinsbelastungen in den Ausgaben, weil die Zinsmehreinnahmen (6,5 Mrd.) aufgrund der insgesamt gewachsenen Vermögen auf die Ausgaben „umgelegt” werden. Hierdurch wird Gruppe A, die ca. 75% der Ausgaben tätigt, stärker belastet (um ca. 4,8 Mrd.) als B (um ca. 1,7 Mrd.). Insgesamt ergäbe sich als neue Bilanz: A verliert 180,3 Mrd. € (172+0,5+4,8) und B gewinnt 98,3 Mrd. € (93+7-1,7) – statt 175 Mrd. Verlust und 93 Mrd. Gewinn wie im vorausgegangenen Jahr. Das Spiel kann – um ca. 5 Mrd. „verschärft” – in die nächste Runde gehen (vgl. zur Abschätzung der Wachstumsdynamik den ANHANG Punkt (4)).
In der Praxis kann Gruppe A diese Vermögensverschiebung zu ihren Ungunsten dadurch in ihrer Dynamik abbremsen, dass sie ihre Ausgaben einschränkt. Wenn sie dabei sehr weit geht, kann sie sogar, da die Haushaltsausgaben die Gesamtbilanz stark bestimmen, vorübergehend den Transfer zur reichsten Gruppe hin etwas absenken (vgl. ANHANG Punkt (2)). Da das Potential zur Ausgabenreduzierung jedoch begrenzt ist, wird bald wieder die Dynamik der Vermögensverschiebung die Oberhand gewinnen. Wachstum der Wirtschaft bietet auf die Dauer auch keinen Ausweg (s.o. Zinssystem und Wachstumszwang).
Das Zinssystem bedeutet – und daran kann nicht der geringste Zweifel bestehen – einen sich selbstverstärkenden Umverteilungseffekt von Arm nach Reich. Die Instabilität des Systems ist einprogrammiert. Doch wenn Programmierer von ihrem Programmierfehler vordergründig profitieren, verspüren sie wenig Lust zur Korrektur. Und was die drohende Instabilität betrifft, so denken die meisten doch, dass das System – auch wenn es von einer Krise in die andere stolpert – doch irgendwie „durchkommt”, und sie hoffen dabei, selbst nicht zu denen zu gehören, die von den Krisen hart getroffen werden.
Nachbemerkung: Konstruktive Kritik ist erwünscht
Möglicherweise sind wegen der Komplexität der Zusammenhänge und der misslichen Datenlage einige Unsicherheiten im Spiel, so dass die hier vorgelegte Abschätzung abgemildert (oder verschärft!) werden muss. Und selbst wenn ein Vertreter der „offiziellen” Wirtschafts-wissenschaft, der genauere Zahlen kennt und detailliertere Einblicke in unser Wirtschaftssystem besitzt, auftreten und sagen würde: „Die Abschätzung ist übertrieben, in Wahrheit sind es heute höchstens die Hälfte oder ein Drittel davon, was da von Arm nach Reich transferiert wird, und das rechne ich euch vor!”, so würde das nicht nur am Grundproblem nichts ändern, sondern es wäre zugleich ein äußerst wünschenswertes Ereignis: Es wäre von „offizieller” Seite endlich bestätigt, dass dieses Problem existiert. Und das wäre ein wesentlicher Schritt hin zur dringend notwendigen öffentlichen Diskussion über unser Geldsystem und seine auf die Dauer untragbaren „Nebenwirkungen”.
ANHANG:
Struktur und Dynamik des Vermögenstransfers aufgrund des Zinssystems
Wie schon im Haupttext wird in den folgenden Überlegungen von zwei Gruppen ausgegangen: die Mehrheitsgruppe A umfasst die 9 „ärmeren” von insgesamt 10 gleich großen Haushaltsgruppen (insgesamt 34,2 Mio. Haushalte), die Minderheitsgruppe B ist die 10%ige reichste Gruppe (3,8 Mio. Haushalte). Es geht um Fragen, aufgrund welcher Kennzahlen sich der Transfer von Arm nach Reich durch das Zinssystem erfassen lässt, von welchen Faktoren er in welchem Maße abhängig ist und mit welcher Dynamik er unter welchen Bedingungen anwächst oder ggf. zu bremsen ist.
(1) Wovon ist die absolute Größe des Transfers abhängig?
Die absolute Größe des Transfers ist unabhängig von der Höhe der Haushaltsausgaben. Entscheidend ist allein der Unterschied zwischen der
– Verteilung der Ausgaben der beiden Haushaltsgruppen, die der Verteilung der indirekten Zinsbelastung entspricht, und der
– Verteilung der direkten Zinseinnahmen aufgrund der unterschiedlichen Vermögen und unterschiedlichen Vermögensverzinsung bei den beiden Haushaltsgruppen.
U Summe aller Haushaltsausgaben
Z Summe der Zinsbelastungen = Zinseinnahmen der Haushalte
a Anteil der Gruppe A an den gesamten Ausgaben U
z Anteil der Gruppe A an den gesamten Zinseinnahmen Z
q Zinsbelastungsquote der Ausgaben q=Z/U
A B Summe
Zinsbelast. der Hh. aUq (1-a)Uq Uq
aZ (1-a) Z Z Z=Uq
Zinsertrag der Hh. zZ (1-z) Z Z
Zinssaldo (z-a) Z (-z+a) Z 0
Zahlenbeispiel (s.o. für das Jahr 2005):
Z = 360 Mrd. €
a = 0,778
z= 0,31
Zinsbelast. der Hh. 0,778 * 360 0.212 * 360 360
Zinsertrag der Hh. 0,31 *360 0,69 * 360 360
Zinssaldo -0,478 * 360 0,478 * 360 0
-172 172
Man erkennt leicht, dass sich die Haushaltsausgaben U herauskürzen und keinen Einfluss auf die absolute Höhe des Transfers T von Gruppe A nach Gruppe B haben. Um das Zinssaldo einer Gruppe zu bestimmen, muss man lediglich die Differenz aus ihrem Anteil an den Haushaltsausgaben und ihrem Anteil an den Zinserträgen bilden und diese mit den gesamten Zinsbelastung multiplizieren. Bei nur zwei Gruppen wie hier entspricht der Zinssaldo der einen Gruppe genau dem negativen Zinssaldo der anderen Gruppe: was die eine gewinnt, verliert die andere. Es ist damit auch unmittelbar klar: Wenn die Anteile bei Haushaltsangaben und Zinserträgen bei den beiden Gruppen jeweils identisch sind (völlig egal, wie unterschiedlich sie zwischen den Gruppen sind), findet kein Transfer zwischen den Gruppen statt.
Damit ist auch klar: Die Erhöhung der Haushaltsausgaben aller um den gleichen Prozentsatz (aufgrund von Wirtschaftswachstum oder durch Verringerung der Sparquote) würde als solche zu keinerlei Veränderung bei der absoluten Größe des Transfers führen. Natürlich würde sich das (relative) soziale Gewicht des Transfers (g=T/U) bei Wirtschaftswachstum verringern. Je größer die Haushaltsausgaben sind, desto geringer wiegt der Transfer in sozialer Hinsicht als Belastung der Mehrheitsgruppe bzw. als Begünstigung der reichen Minderheit.
(2) Wie reagiert die Transfergröße auf Änderungen bei den Haushaltsausgaben nur bei Gruppe A?
Wenn sich die Haushaltsausgaben von Gruppe A verringern (z.B. dadurch, dass sie mehr spart) oder sich erhöhen (z.B. durch Steuersenkungen bei der Mehrheit), verändert sich die absolute Größe des Transfers.
aU + (1-a)U = U
Die Ausgaben von A werde um den Faktor f verändert, z.B. um 10% erhöht (f=1,1) oder um 10% verringert (f=0,9). Die Ausgaben von B seien unverändert. Wie verschiebt sich dadurch das Verhältnis der Ausgaben für die beiden Gruppen?
afU + (1-a)U = (af + 1 -a)U = U'; U=U’/(af+1-a)
afU’/(af+1-a) + (1-a)U’/(af+1-a) = U’
neue Zinsbelastungsquote q’=Z/U’
Das Verteilung der Ausgaben U’ hat sich gegenüber der bei U verändert. Die Erhöhung der Haushaltsausgaben von A um 10% am Zahlenbeispiel:
0,788*U + 0,212*U = U
0,788*1,1*U + 0,212*U = 1,0788*U = U'; U=U’/1,0788
0,8668/1,0788*U’ + 0,212/1,0788 = U’
0,8035*U’ + 0,1965*U’ = U’
0,8035*Z + 0,1965*Z = Z
Durch die Erhöhung der Ausgaben von A um 10% hat sich das Verhältnis von 0,788:0,212 bei U zu 0,8035:0,1965 bei U’ verschoben – eine Verschiebung um 1,5 Prozentpunkte.
Bei Verringerung der Ausgaben von A um 10% (f=0,9) ergibt sich das neue Verhältnis 0,77:0,23 – eine Verschiebung von 1,8 Prozentpunkte in die entgegengesetzte Richtung. Jede Verschiebung von einem Prozentpunkt entspricht (bei Gesamtzinslast = Gesamtzinsertrag = 360 Mrd.) 3,6 Mrd. €. Das gilt natürlich genauso, wenn sich bei den direkten Zinserträgen eine solche Verschiebung ergibt (durch Vermögenszu- oder -abnahmen oder Veränderung der Zinssätze; s.u. Punkt (4)).
Was ergibt sich hieraus für die Zinssalden? Bei der Erhöhung der Haushaltsausgaben um 10% ergibt sich:
Zinsbelast. der Hh. 0,803 * 360 0,197 * 360 360
Zinsertrag der Hh. 0,31 *360 0,69 * 360 360
Zinssaldo -0,493 * 360 0,493 * 360 0
-177,4 177,4
Die höhere Belastung von A um 5,4 Mrd. lässt sich auch unmittelbar aus der Verschiebung der Ausgabenverteilung um 1,5 Prozentpunkte ermitteln (0,015*360=5,4).
Entsprechend ergibt sich bei der Verringerung der Haushaltsausgaben von A um 10% eine Verringerung seines negativen Saldos um 6,5 Mrd. (0,018*360=6,5) auf -165,5 Mrd. Geht man davon aus, dass diese Verringerung der Ausgaben von A zu einer entsprechenden Erhöhung des Sparbetrags und damit des Vermögens von A führt, so ergibt sich ein zusätzlicher Effekt. Die Ausgaben von A liegen in der Größenordnung von 1.000 Mrd. €. Wir nehmen an, dass die 100 eingesparten Milliarden mit 2-3% verzinst werden (wie insgesamt bei den hier vorgenommenen Abschätzungen für das Jahr 2005; s. unter Punkt (4)). Damit verschiebt sich also die Bilanz noch einmal um 2-3 Mrd. zugunsten von A. Die negative Bilanz beträgt von A beträgt jetzt ‚nur’ noch ca. -163 Mrd. € (statt -172 Mrd.).
Man erkennt: Die Reduzierung der Haushaltsausgaben bei der Mehrheit ist kein tragfähiger Weg, der Subventionierung der reichsten Gruppe zu entkommen. Selbst eine Reduzierung der Ausgaben um 10% und eine entsprechende Aufstockung ihres Vermögens würde den Verlust der Mehrheit gerade mal um etwas mehr als 5% verringern. Eine Aufstockung des Vermögens durch Konsumverzicht ist eine sich schnell begrenzende Möglichkeit, während die Aufstockung des Vermögens bei der reichen Gruppe durch die gewonnenen Transfermilliarden bequem möglich ist (solange das System stabil bleibt).
(3) Die Abhängigkeit der Transfergröße von der Höhe der Zinslast
Wie man an obiger Berechnung unmittelbar erkennt, ist die Höhe der Transfers streng proportional zu Höhe der Gesamtzinslast (=Zinsertrag) im System.
Muss man bei der Gesamtzinslast aufgrund der problematischen Datenlage (s. Haupttext) mit einer größeren Unsicherheit rechnen, so kann man sich auf einen Blick die Auswirkungen auf das Ergebnis verdeutlichen. Rechnet man z.B. mit 360 Mrd. und einem möglichen Fehler von 30% nach unten oder oben (Schwankungsbreite bei der Zinslast: 277 …360…468), so ergibt sich beim Transfer die Schwankungsbreite 132…172…224. Die gleiche Proportionalität gilt im Prinzip wegen der Linearität der Beziehungen auch für Gewinn bzw. Verlust der beiden Gruppen, wenn man die Zinsbesteuerung einbezieht.
(4) Aussagen zur Dynamik der Selbstverstärkung des Transfers
Durch den Transfer von Arm nach Reich verschieben sich die Vermögensverhältnisse der beiden Haushaltsgruppen zugunsten der reichen Gruppe B, wodurch sich der Transfer hin zu B weiter erhöht. Es wird für die folgende Abschätzung angenommen, dass Gruppe B ihren positiven Saldenbetrag (wir nennen ihn T) voll ihrem Vermögen hinzufügt und dass das Vermögen von A um den gleichen Betrag reduziert wird. Bei den Ausgaben soll sich nichts verändern. Es gibt kein Wirtschaftswachstum bzw. dieses verändert nichts am Verhältnis bei den Ausgaben zwischen den Gruppen. Dann gilt:
Die Dynamik der Zunahme des Transfers T aufgrund der Veränderung der Vermögensverhältnisse durch T selbst ist unabhängig von der (bereits erreichten) Größe des Transfers, ebenso von der Höhe der gesamten Zinsbelastung (=Zinsertrag) im System. Sie ist allein abhängig von den (unterschiedlichen) Zinssätzen, den die beiden Gruppen für ihre Vermögen erzielen, sowie vom Verteilungsmuster der indirekten Zinsbelastung.
Im Startjahr der Betrachtung sei
T der Betrag, den A verliert und der von seinem Vermögen abgezogen wird, und den B gewinnt und seinem Vermögen zuschlägt,
Z die Zinssumme,
a Anteil der Gruppe A an den gesamten Ausgaben U
za und zb Zinssätze von A bzw. B (zb > za).
Dann beträgt für das Folgejahr die Zinssumme Z’ = Z + Tzb – Tza. Die vergrößerte Zinssumme verändert die Zinsbelastung in den Haushaltsausgaben:
Zinsbelast. der Hh. a(Z+Tzb-Tza) (1-a)(Z+Tzb-Tza)
aZ+ aT(zb-za) (1-a)Z + (1-a)T(zb-za)
Zinsertrag der Hh. zZ -Tza (1-z)Z + Tzb
Zinssaldo (z-a)Z -Tza – aT(zb-za) (-z+a)Z + Tzb -(1-a)T(zb-za)
-T -Tza – aT(zb-za) T + Tzb -T(zb-za)+aT(zb-za)
-T(1+za+a(zb-za)) T(1+za+a(zb-za))
Es ergibt sich für das Folgejahr ein Transfer von T’=T(1+za+a(zb-za)) = Tp .
Um den Faktor p berechnen zu können, benötigen wir die Zinssätze, die A bzw. B für ihre Vermögen bekommt. Wir hatten für die Abschätzungen im Hauptteil angenommen, dass A 40% und B 60% des (zinstragenden) Vermögens besitzt und dass B einen um den Faktor 1,5 höheren Zinssatz bekommt als A. Hieraus hatte sich ein Anteil von 31% resp. 69% von den 360 Mrd. € Gesamtzinsgewinn für A resp. B errechnet. Gehen wir von der moderaten Annahme aus, dass die durchschnittliche Verzinsung im System bei 3,27% liegt (diese Zahl hatte sich aus dem gesamten Zinsertrag von 360 Mrd. € und dem Kapitalstock von 11.000 Mrd. € ergeben; s. Fußnote 6), dann ergibt sich für das Vermögen von A ein Zinssatz von 2,52% und für B von 3,77%. Damit errechnet sich der Faktor p wie folgt:
p = 1 + 0,0252 + 0,788(0,0377-0,0252) = 1 + 0,0252 + 0,788*0,0125 = 1 + 0,0252 + 0,0099
= ca.1,035
T’ = T*1,035. Das heißt: Unter den oben getroffenen Festlegungen wächst der Transfer von A nach B jedes Jahr um 3,5%. Verdopplungszeit: 20 Jahre.
Man kann verschiedene Varianten durchspielen. Zwei Beispiele:
Die Zinssätze von A und B spreizen stärker: Verhältnis 1:2, za=0,025, zb=0,05
T’=T(1+0,025+0,788*0,025)=T*1,045.
Das heißt: die Zunahme des Transfers ist deutlich von der Spreizung der unterschiedlichen Zinssätze für A und B abhängig.
A trägt einen geringeren Anteil bei den Ausgaben: a=0,77
T’=T(1+0,0252+0,77(0,0377-0,0252))=T(1+0,0252+0,0088)=T*1,034
Dadurch wird nicht nur der Transfer leicht verringert (s.o. Punkt(2)), sondern auch die Dynamik des Wachstums.
Bei dieser Betrachtung ist allein der Effekt berücksichtigt, der dadurch entsteht, dass T voll dem Vermögen von A abgezogen und dem Vermögen von B zugeschlagen wird. Nun gibt es aber einen zweiten Effekt, der T jedes Jahr vermehrt: die (unterschiedliche) Vermehrung der Vermögen durch die Sparraten. Wir wollen zunächst diesen Effekt isoliert betrachten:
Sa und Sb Sparbeträge von A bzw. B.
Zinsbelast. der Hh. a(Z+Saza+Sbzb) (1-a)( Z+Saza+Sbzb)
Zinserträge der Hh. zZ+Saza (1-z)+Sbzb Z’=Z+Saza+Sbzb
Zinssaldo (a-z)Z-a(Saza+sbzb)+Saza (-a+z)Z+a(Saza+Sbzb)-Saza
-T-a(Saza+Sbzb)+saza T+a(Saza+Sbzb)-Saza
T’= T+a(Saza+Sbzb)-Saza=T+K
Indem die Sparbeträge Sa und Sb jedes Jahr zu den Vermögen hinzugerechnet werden, vergrößert sich T um die Konstante K= a(Saza+Sbzb) – Saza. Die Sparraten werden in dieser Rechnung als konstant angesehen. (Dass sie in der Realität bei B wachsen, ist kein Widerspruch dazu, denn dieser Sachverhalt ist implizit in der vorigen Abschätzung bereits berücksichtigt, indem so gerechnet wird, dass der volle Ertrag T, den B gewinnt, zur Vermögensvermehrung eingesetzt wird).
Mit der Sparbeträgen für das betrachtete Jahr 2005 (Sa=68 Mrd. €, Sb=89 Mrd. €; s. Haupttext Variante I) errechnet sich die Konstante zu
K=0,788(68*0,0252+89*0,0377)-68*0,0252=2,3
Der Transfer vergrößert sich also allein durch diesen Effekt jedes Jahr um 2,3 Mrd. €.
Führt man beide Effekte zusammen (den jeweils vollen Niederschlag der gewonnenen bzw. verlorenen Milliarden bei den Vermögen und die Vermehrung der Vermögen durch die Sparbeträge), so ergibt sich:
T’=pT + K mit aktuell p=1,035 und K=2,3 Mrd.
T”=(pT+K)p+K=p2T+Kp+K
…
T(n)= pnT+ Kpn-1+Kpn-2+…+K= pnT+ K(pn-1+pn-2+…+1)
Zahlenbeispiel:
T=172
T’=172*1,035+2,3=178,4+2,3=180,3
T”=180,3*1,035+2,3=186,6+2,3=188,9
T”’=188,9*1,035+2,3=195,4+2,3=197,7
…
T(10)= 1,03510*172+2,3*(1,36+1,32+1,27+1,23+1,19+1,15+ 1,11+1,07+1,035)
= 1,41*172 + 2,3*10,7 = 242,6 + 24,7 = 267,3
Das ist ein Anstieg in 10 Jahren um 55%, woraus sich ein durchschnittlicher Anstieg in dieser Zeitspanne pro Jahr von etwa 4,5% errechnet. Im ersten Jahr betrug der Anstieg 4,8% (180,3/172), im 10.Jahr sind es noch 4,4% (279/267,3). Im Laufe der Zeit ist die Steigerungsrate aufgrund der jeweils zugerechneten Konstante leicht rückläufig, kann jedoch niemals unter 3,5% sinken. Beweis: T’/T=(pT+K)/T=p+K/T. Mit wachsendem T geht K/T gegen Null. Die Wachstumsquote von T geht von oben gegen p=1,035 resp. 3,5%.
Als Fazit kann man festhalten:
Der Vermögenstransfer von Arm und Reich besitzt heute (theoretisch) eine immanente Wachstumsdynamik in der Größenordnung von 3-4% – sofern die reichen 10% ihren Transfergewinn zur Aufstockung ihres Vermögens benutzt. Diese Aussage gilt grundsätzlich auch für den Transfer, wie er sich unter Berücksichtigung der Zinssteuern ergibt (vgl. Haupttext).
Wir hatten gesehen, dass diese Dynamik nur vorübergehend und begrenzt durch Ausgabeneinsparungen von A abzubremsen ist (s.o. Punkt (2)).
Eine grundlegend andere Frage ist, ob Gruppe B tatsächlich den vollen Transfergewinn wieder zinsbringend anlegt (bzw. anlegen kann), so dass die Wachstumsdynamik von 3-4% voll zum Zuge kommt. Wie bekannt ist, drängen die angewachsenen ‚überflüssigen’ Vermögen in die Spekulation. Damit wird jedoch ein berechenbar anwachsendes soziales Problem in ein unberechenbares transformiert.
(5) Das Wachstum des Transfers und der Zwang zum Wirtschaftswachstum
Was bedeutet ein 3-4%iger Anstieg der Transfers? Folgt daraus, dass heute auch die Wirtschaft um 3-4% wachsen muss, damit die Mehrheit keine absoluten Einkommenseinbußen hinnehmen muss? Mitnichten. In der heutigen Situation, wo die Transfergröße (ca. 150 Mrd.) im Vergleich zur den Mitteln, die der Mehrheit für ihre Ausgaben zu Verfügung (über 1.000 Mrd.) stehen, noch relativ klein ist, genügt zur Kompensation des Transferanstiegs ein Wirtschaftswachstum von etwa 1%. Diese Minimalbedingung war über weite Strecken der bundesrepublikanischen Geschichte erfüllt, für alle stiegen sogar die Einkommen; entsprechend war der soziale Friede nie ernsthaft in Gefahr, obwohl sich die Schere zwischen Arm und Reich ständig weiter öffnete.
Nun klingt die Notwendigkeit eines 1%iges Wachstums aufgrund des Zinssystems nicht sonderlich problematisch. Nur – die Relationen verschieben sich im Laufe der Zeit und zwar in dem Maße, wie das Wirtschaftswachstum und dementsprechend der Anstieg der der Mehrheit zur Verfügung stehenden Geldmittel hinter dem Wachstum des Transfers zurückbleibt. Genügte in der Anfangsphase des entstehenden Ungleichgewichts ein Wirtschaftswachstum von weit weniger als 1%, um den Zuwachs beim Transferverlust für die Mehrheit auszugleichen, so sind es nach wenigen Jahrzehnten 2, 3 und schließlich ebenfalls 3-4%, die notwendig sind, damit sich die soziale Lage der Mehrheit zumindest nicht absolut verschlechtert.
Der vom Zinssystem ausgehende Wachstumszwang entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik. Eine Gesellschaft mit einem Zinssystem ist aus sozialen Gründen auf Wachstum angewiesen, während gleichzeitig dieses Zinssystem als Wachstumsbremse wirkt, indem es denen immer mehr Geld nimmt, die gern mehr konsumieren möchten, und zu denen transferiert, die es gerade nicht zur Konsumsteigerung nutzen. Mehr noch: Das Zinssystem benötigt sogar jedes Jahr ein größeres Wachstum, während es automatisch die Bremse im gleichen Zuge immer mehr anzieht.
[1] Neben der Produktionssphäre (Stichwort: Ausbeutung der Machtlosen) und der Distributionssphäre (Stichwort: Belastung der weniger Vermögenden durch das Zinssystem) gewinnt in jüngster Zeit eine dritte, abstraktere Ebene der ungerechten Verteilung an Gewicht: die Ebene der Spekulation (Stichwort: systematische Täuschung der weniger Erfahrenen). Vgl. dazu „Die organisierte Spekulation” www.mueller-reissmann.de .
[2] Margrit Kennedy: Geld ohne Zinsen und Inflation, Goldmann, München 1994, S.30
[3] Vgl. die Arbeiten von Helmut Creutz, z.B. Die 29 Irrtümer rund ums Geld, Signum, München/Wien 20052, Nr.7
[4] Vgl. „Vom Platzen von Vermögensblasen…” und „Die organisierte Spekulation” www.mueller-reissmann.de.
[5] Vgl. zum Folgenden Helmut Creutz: Die 29 Irrtümer rund ums Geld, Signum, München, 2.Aufl. 2005, S.77ff.
[6] Diese Relation gilt in etwa auch heute noch. Das „Institut der deutschen Wirtschaft” (IdW) gibt z.B. für 2004 den „Kapitalstock” bzw. das „Bruttoanlagevermögen zu Wiederbeschaffungspreisen” mit über 11.000 Mrd. €, wovon knapp die Hälfte auf den Bestand vermieteter Wohnungen fällt. Diese Zahl umfasst sowohl das verschuldete wie das unverschuldete Sachkapital. Wenn man die gesamten Geldschulden bzw. Verbindlichkeiten mit 7.000 – 8.000 Mrd. € ansetzt (Quelle: Deutsche Bundesbank, Sonderveröffentlichung 4/2008), dann ergeben sich also 3.000 – 4.000 Mrd. für das schuldenfreie Sachkapital.
[7] Basis bildete vor allem die Einkommens- und Verbrauchstichprobenerhebung von 1998
[8] Vgl. Monatsbericht Sept. 2008, S.30 und S. 20*-23*
[9] Monatsbericht Deutsche Bundesbank, Sept. 2008
[10] Zahlen nach Bundesbank Monatsbericht Sept. 2008, S.
[11] Vgl. “Deutschland in Zahlen 2006″, Institut der deutschen Wirtschaft (IdW), Tabelle 6.1, Fußnote 1
[12] Zahlen nach Deutsche Bundesbank Monatsbericht Dez. 2008, S.67*
[13] Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung: Die soziale Situation in Deutschland, 2008. www.bpb.de/wissen/37OUAU,0,0,Die_soziale_Situation_in_Deutschland.html
[14] Nach StaBuA: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe – Ausgewählte Ergebnisse zu den Einkommen und Ausgaben priv. Haushalte 1.Hj. 2003 (s. www.jjanke.net) beträgt die Sparrate des reichsten Achtels 22,2%. Damit dürfte die Annahme, dass das reichste Zehntel 24% spart, kaum zu hoch gegriffen sein.
[15] Bei Joachim R. Frick/ Markus M. Grabka: Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland, DIW Wochenbericht: 4/2009, 21.Januar 2009, S.59, wird der Vermögensanteil am Netto-Vermögen für 2007 für das reichste Dezil bereits mit 61,1% angegeben.
.
[16] Letzten Endes benötigt man zur Berechnung der Transfergröße lediglich die Anteile der Gruppe A an der Zinsbelastung und am Zinsertrag (also 0,788 und 0,31). Die Differenz hieraus (0,478) multipliziert mit der Gesamtzinslast von 360 Mrd. ergibt 172 Mrd. Vgl. dazu ausführlich den ANHANG Punkt (1).
[17] Die Bundeszentrale für politische Bildung gibt den Anteil der reichsten 10% am gesamten Einkommensteueraufkommen mit 51,8 % an.
[18] Vgl. Joachim R. Frick/ Markus M. Grabka: Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland, DIW Wochenbericht: 4/2009, 21.Januar 2009, S.59
[19] Vgl. Frick/Grabka, a.a.O., S.64.
[20] Vgl. Frick/Grabka, a.a.O., S.55
[21] a.a.O., S.67
[22] Wochenbericht des DIW, „Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland”, 21.1.2009, a.a.O., S.59
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